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Zur Smart City gehört auch eine App für Baumpaten: David Hoffmann,  Leiter der Abteilung Urbane Innova­tion (l.) bei den Wirtschaftsbetrieben Duisburg, und Marco Schlieman, der Vorsitzende des Personalrats. Magazin Mitbestimmung

Zukunft: Innovation braucht Herzblut

Ausgabe 05/2022

Unternehmen müssen sich ständig neu erfinden – gerade in Krisenzeiten. Nur wo die Beschäftigten mitbestimmen, werden Lasten und Gewinne der Transformation fair verteilt. Von Kay Meiners und Andreas Molitor

Die Ruhrpott-Metropole Duisburg ist nicht das Silicon Valley. Aber wer zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, kann sich auch dort fühlen wie in einem Sciene-Fiction-Film. Etwa, wenn ein Auto der Wirtschaftsbetriebe Duisburg, ausgerüstet mit optischen Sensoren und künstlicher Intelligenz, systematisch die Straßen abfährt. Ziel der Mission ist es, Daten über den Zustand der öffentlichen Infrastruktur zu sammeln. Eine Software überprüft die Fahrbahn auf Straßenschäden, erkennt wild entsorgten Müll am Straßenrand, prüft den Zustand der Straßenschilder. Noch während das Auto unterwegs ist, werden die zuständigen Stellen informiert, was zu tun ist, Arbeitstrupps losgeschickt.

Solche Szenarien werden bei den Wirtschaftsbetrieben Duisburg, einem kommunalen Unternehmen mit rund 1750 Beschäftigten, schon heute regelmäßig getestet. „Wir verstehen uns als zentraler Treiber und Befürworter von Innovation im Bereich der Daseinsvorsorge in Duisburg“, heißt es selbstbewusst auf der Webseite wbd-innovativ.de. Ziel ist die „Smart City“, die vernetzte und nachhaltige Stadt. Längst können die Duisburger über Onlineformulare illegal abgelagerten Müll melden. Eine Software, die Kunden die aktuellen Wartezeiten und die Auslastung auf den vier Recyclinghöfen anzeigt, und eine App für Baumpaten für den nächsten Dürresommer ist auf dem Weg. Ein Elan, der manchen überraschen dürfte, der noch eher das Bild einer verstaubten Verwaltung vor Augen hat. Doch so wappnen sich die Wirtschaftsbetriebe dagegen, Aufträge an die freie Wirtschaft zu verlieren. Kommunale Aufgaben würden heutzutage ausgeschrieben oder könnten in Zukunft ausgeschrieben werden, erklärt der Personalratsvorsitzende Marco Schliemann, der Mitglied bei Verdi ist. Der beste Bieter bekommt den Zuschlag. Innovation, etwa durch optimierte Abläufe oder bessere Dienstleistungen, kann entscheidende Pluspunkte verschaffen, etwa indem sie Kosten spart oder eine bessere Qualität der angebotenen Dienstleistung ermöglicht. „Letztlich sichern wir durch Innovation die Jobs unserer Beschäftigten für die Zukunft“, sagt Schliemann.

Wichtig ist ihm, bei den Projekten jeden mitzunehmen, auch die Gewerblichen, die Kraftfahrer, Kanalarbeiter oder Baumkontrolleure. „Man kann ihnen nicht einfach ein Tablet in die Hand drücken und sagen: ‚Jetzt lauf mal los!‘“, sagt Schliemann. „So funktioniert das nicht.“ „Die enge Zusammenarbeit zwischen den Beschäftigten und den Projektteams, unterstützt auch durch unseren Personalrat, ist wichtig, auch um den Leuten Ängste zu nehmen“, sagt ebenfalls David Hoffmann, Leiter der Abteilung Urbane Innovation bei den Wirtschaftsbetrieben. „Ziel ist es nicht, die Leute wegzurationalisieren.“ Es geht um einen besseren Service.

Und auf der Seite der Beschäftigten um Qualifizierung und Überzeugungsarbeit. „Wenn eine Arbeit schon gefühlte 100 Jahre in einer bestimmten Weise erledigt wurde und dann plötzlich alles ganz anders gemacht werden soll, gibt es natürlich Widerstände“, ergänzt Marco Schliemann. Am besten überwinde man die, wenn die Arbeit für alle erkennbar leichter wird und Innovationsgewinne fair verteilt werden: „Es muss auch beim Arbeiter was ankommen“, sagt Schliemann. Zum Beispiel bei der Hausmüllabfuhr: Da werden gerade Tablets eingeführt, mit denen die Mitarbeiter, die sonst lediglich die Tonnen entleeren, auch noch schadhafte oder falsch befüllte Behälter fotografieren und melden sollen.

Was nach Mehrarbeit aussieht, ist – richtig reguliert und partnerschaftlich gestaltet – eine Chance für die Beschäftigten auf eine anspruchsvollere und weniger belastende Arbeit. Wenn die Dokumentationszeiten sauber angerechnet werden und die Arbeit mit dem Tablet nicht einfach obendrauf kommt, muss der einzelne Müllwerker in einer Schicht nämlich weniger Behälter leeren. Trotzdem sind die gesamten Abläufe im Unternehmen effizienter. Das wäre dann eine Smart City, die den Bürgern genauso gefällt wie den Beschäftigten.

Der Lackmustest
Dass Erfindung und Innovation „zwei grundverschiedene und nicht eindeutig aufeinander bezogene Dinge“ sind, beschied der Ökonom Joseph Schumpeter schon vor mehr als 80 Jahren. Nur jene Ideen, die den Lackmustest der Daseinsberechtigung bestehen und sich durchsetzen, dürfen sich auch Innovation nennen. So gesehen, war beispielsweise die Erfindung des mechanischen Webstuhls durch den Engländer Edmund Cartwright im Jahr 1785 noch keine Innovation; erst der massenweise Einsatz dieser Webstühle in der Stoffproduktion und die Ablösung der Handweberei durch die Maschinenweberei in den folgenden Jahrzehnten machten die Erfindung zur Innovation.

Eisenbahn durch Neuland
In seiner „Theorie der Innovation“ von 1939 beschreibt Schumpeter Innovation als das „Eindringen neuer Produktionsfunktionen“, die unablässig die Kostenkurven verschieben, in das System: „Eine Eisenbahn durch Neuland (…) wirft (…) alle Standortbedingungen, alle Kostenkalkulationen, alle Produktionsfunktionen innerhalb ihres Einflussradius über den Haufen, und keine der Verfahrensweisen, die optimal gewesen sind, bleibt danach optimal.“ Zugleich schreibt er, es sei „gefährlich“, solche großen Beispiele zum Maßstab zu machen. Auch die kleinen Veränderungen zählen, wenn sie sich bewähren: „Wir müssen versuchen, von der Vorstellung loszukommen, dass Innovation notwendig etwas aufsehenerregend Wichtiges ist.“

Die Rolle der Betriebsräte
Etwa zwei Drittel der Betriebsräte sind nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung in Innovationsprozesse einbezogen. Aber nur ein Drittel zählt zur Kategorie der „machtvollen Mitgestalter“ und macht eigene Vorschläge, die auch ­berücksichtigt werden. In den anderen Fällen werden die Gremien von der Geschäftsführung über Innovationsvorhaben informiert und beteiligt, bringen aber keine eigenen Vorschläge ein – oder sie werden nicht berücksichtigt. (Bernd Kriegesmann, Thomas Kley: Mitbestimmung als Innovationstreiber. Bestandsaufnahme, Konzepte und Handlungsperspektiven für Betriebsräte, Berlin 2012)

  •  Nein, das ist keine Chip-Fabrik: ein Blick in die industrielle Käseproduktion.
    Nein, das ist keine Chip-Fabrik: ein Blick in die industrielle Käseproduktion.

Innovation ist mehr als Automatisierung

Grünländer, Valbrie, Patros – fast jeder kennt die Käsemarken von Hochland aus dem Supermarkt. Das 1927 gegründete Familienunternehmen mit Sitz in Heimenkirch am Bodensee zählt zu den größten Käseherstellern Europas. Hochland besitzt mehrere Werke im In- und Ausland und ist in Deutschland seit 1973 Käselieferant für McDonalds.  

Das Thema Innovation fiel lange Zeit allein in die Zuständigkeit der beiden Eigentümer­familien. Fortschritt hieß Automatisierung. „Die Maschinen wurden einfach hingestellt, und die Leute sollten damit irgendwie arbeiten“, sagt Betriebsrätin Sabine Wagner, die der NGG angehört. Eine Beteiligung des Betriebsrats war nicht erwünscht. 

Erst ein Generationswechsel bei den Eigentümern, eine steigende Sensibilität für Arbeits­sicherheit und Gesundheitsschutz sowie Diskussionen über steigende Fehlzeiten und Personalengpässe führten zum Umdenken. Der Betriebsrat rechnete vor, welche Kosten durch Fehlzeiten entstanden – Geld, das etwa im ­betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz besser eingesetzt war. Das 2013 per Betriebsvereinbarung eingeführte betriebliche Eingliederungsmanagement wurde zur Initialzündung für eine mitbestimmte Personalplanung und ein moderneres Innovationsverständnis.

Die Personalplanung in der Branche ist diffizil, weil manche Produkte, etwa Grillkäse, stark saisonal nachgefragt werden. Kommen Personalausfälle hinzu, wird es schnell kritisch. Heute werden Überstunden durch eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit geregelt und nicht mehr in Geld, sondern in Zeit ausbezahlt, es gibt Arbeitszeitkonten, Teilzeit und eine Jobrotation, die monotone Belastungen vermeidet. Über den klügeren, schonenderen Umgang mit der Ar­beits­­kraft ist bei Hochland so etwas wie eine mit­bestimmte Innovationskultur entstanden. Wenn Maschinen angeschafft werden, ist heute der Betriebsrat involviert. Neue Produkte werden im Wirtschaftsausschuss vorgestellt und diskutiert – auch mit dem Betriebsrat. Über ein Vorschlagswesen, den „Ideen-Express“, kommen sogar Anregungen für Produktinnovationen von den Beschäftigten. Das gab es zwar auch früher hin und wieder, aber meist blieben die Ideen in der betrieblichen Bürokratie stecken. So erging es dem Vorschlag von Sabine Wagner, die in den 2000er Jahren einen Frischkäse mit ganzen rosa Pfefferbeeren vorschlug. Es dauerte mehrere  Jahre, bis der Käse endlich auf den Markt kam.

  • Visionär Dirk Vogeler: Trotz immenser Energiekosten wird am Stahl ohne Emissionen gearbeitet.
    Visionär Dirk Vogeler: Trotz immenser Energiekosten wird am Stahl ohne Emissionen gearbeitet.

Es geht mal wieder ums Überleben

Gäbe es einen Wettbewerb um den Titel „Kampferprobtester Betriebsrat der Republik“, hätte die Arbeitnehmervertretung des ArcelorMittal-Stahlwerks im ostbrandenburgischen Eisenhüttenstadt beste Chancen auf den Sieg. Seit dem Untergang der DDR kämpft das ehemalige Eisenhüttenkombinat Ost (EKO) unentwegt um seine Existenz und die aktuell rund 2500 Jobs. „Wir sind seit 1990 kontinuierlich im Kampf­modus“, sagt IG Metall-Mitglied und Betriebsratsvorsitzender Dirk Vogeler, der mit 43 Jahren Werkszugehörigkeit ein echtes Urgestein ist.

Die Erfahrung aus mehr als drei Jahrzehnten Überlebenskampf könnte sich für die Eisenhüttenstädter Stahlwerker nun auszahlen. Das Ringen um die Zukunft des Werkes geht in die nächste Runde. Und wieder einmal geht es ums Ganze: Schon in wenigen Jahren soll hier klima­neutraler Stahl gekocht werden – nicht mehr wie bisher im Hochofen, der mit Kohle gefüttert wird, sondern in einem mit „grünem“ Wasserstoff gespeisten Elektro-Lichtbogenofen.

Ein Konzept für die milliardenschwere Investition hat der ArcelorMittal-Konzern voriges Jahr vorgelegt. Doch die finanziellen Risiken der Investition in die klimafreundliche Zukunftstechnologie sind enorm – gerade jetzt angesichts der immens gestiegenen Energiekosten. Die Erzeugung von grünem Wasserstoff ist sehr stromintensiv. Bei den derzeitigen Stromkosten scheint eine Rentabilität, selbst bei einer großzügigen finanziellen Förderung, zumindest kurz- und mittelfristig außer Sicht.

„Grüner Stahl ist unsere Zukunftschance“, sagt Dirk Vogeler trotzdem. „Wenn wir von den hohen CO2-Emissionen nicht runterkommen, wird der Hochofen irgendwann abgeschaltet, und dann bleibt hier nichts mehr.“ Ihm wäre es lieber, Bagger und Baukräne wären schon angerückt. Doch bevor der Konzern die Anlagenbauer beauftragt, muss klar sein, ob und in welcher Höhe beispielsweise der Bau der neuen Elektro-Öfen gefördert wird. „Das geht uns gerade alles viel zu langsam.“

In mehr als drei Jahrzehnten Überlebenskampf, so Vogeler, „haben wir viel gelernt, was uns jetzt zugutekommt“. Wie wichtig gute Kontakte zur Landes- und Bundespolitik sowie nach Brüssel sind, zum Beispiel: Kürzlich haben die Eisenhüttenstädter Betriebsräte bei der EU-Wettbewerbskommission in Brüssel vorgesprochen, mit dem Bundeswirtschaftsministerium sind sie ständig in Kontakt.

Gleichzeitig rüsten sich Vogeler und seine Kolleginnen und Kollegen für die Veränderungen vor Ort. Die Umstellung auf grünen Stahl wird das Werk von Grund auf umkrempeln. Die Arbeit von Hunderten Beschäftigten am Hochofen wird wegfallen, völlig neue Aufgaben werden hinzukommen. „Die Leute am Hochofen müssen erst mal noch dableiben, während die neuen Anlagen schon aufgebaut werden“, erklärt Vogeler. „Während sie ihren alten Job weitermachen, müssen wir sie für die Tätigkeiten an den neuen Anlagen qualifizieren.“ Demnächst fährt eine Betriebsratsdelegation zu den Hamburger Stahlwerken, wo bereits ein Elektro-Lichtbogenofen im Einsatz ist. „Danach wissen wir wieder ein bisschen genauer, welche Qualifizierungen wir benötigen und wo wir noch draufsatteln müssen“, sagt Vogeler. Bei alledem gelte der eherne Grundsatz: „Wir wollen, dass alle mitgenommen werden und keiner auf der Strecke bleibt.“

Hand in Hand
Produktinnovationen sind Innovationen, die ein völlig neues oder wesentlich verbessertes Produkt oder eine neue Dienstleistung hervorbringen: eine neue Teesorte, ein elektrisches ­Lastenfahrrad, Tabletten gegen Heuschnupfen, die nicht müde machen, das bundesweite 9-Euro-­Ticket. Prozessinnovationen dagegen optimieren Abläufe in Unternehmen; sie erhöhen die Effizienz der Produktion. Große Konjunktur hat in ­letzter Zeit der Begriff „disruptive Innovation“. Hierbei ver­suchen die Unternehmen, durch eine radikale ­Änderung bisheriger Produkte oder Dienstleist­ungen (z. B. Elektroautos statt Verbrenner, ­Online-Einkauf) völlig neue Märkte zu schaffen oder bisherige Märkte zu revolutionieren.

„Höherer Innovationserfolg“
Die Hans-Böckler-Stiftung hat in mehreren ­Studien die Rolle der Mitbestimmung bei Innovationsprozessen untersuchen lassen. Fast durchweg kamen die Forscherteams zu der Einschätzung, „dass betriebliche Mitbestimmung einen konstruktiven Beitrag zur Innovativität von Unternehmen leistet“ und dass „eine stärkere Betriebsratsbeteiligung mit einem höheren Innovationserfolg einhergeht“, wie es in einer der Expertisen heißt. „Viele Betriebsräte formulieren eigene Ideen und geben Impulse zur Weiterentwicklung des betrieblichen Innovationsgeschehens“, heißt es in der Studie „Innovationserfolg durch aktive Mitbestimmung“.

Arbeitsorganisation als Domäne
Am stärksten werden Betriebsräte eingebunden, wenn es um Innovationen in der Arbeitsorga­nisation oder bei Qualifizierung und Personal­politik geht. Hier sind die Arbeitnehmervertreter in mehr als 90 Prozent der Fälle an der Ent­scheidungsfindung beteiligt. Doch je weiter sich die Innovation vom betrieblichen Alltag entfernt, desto mehr schwindet die Beteiligung. Bei der Entscheidung für neue Produkte reden 44 Prozent der Betriebsräte mit, bei der Erschließung neuer Märkte nur 22 Prozent.

  • Flink und flach, Traglast 1,2 Tonnen: der Conti-Transportroboter.
    Flink und flach, Traglast 1,2 Tonnen: der Conti-Transportroboter.

Ein Roboter, promotet vom Betriebsrat

Die Marketingleute von Continental kriegen sich kaum noch ein vor Begeisterung. „Ziemlich vielseitig, der Neue“, texten sie auf der Webseite des Technologieunternehmens. „Stets im Einsatz, stets zur Hand, stets zu Diensten.“ Die Rede ist von einem neuen Produkt, dem Autonomous Mobile Robot (AMR), einem Transportroboter für die werksinterne Logistik. Ein echter Tausendsassa. Trägt Lasten bis zu 1,2 Tonnen, umkurvt dank 360-Grad-Umgebungserkennung sämtliche Hindernisse und schafft zwei Meter pro Sekunde.

„Der AMR ist schon weltweit in einigen unserer Fabriken im Einsatz“, erzählt Volker Diel, IG Metall-Mitglied und Betriebsratsvorsitzender bei Conti  im rheinland-pfälzischen Rheinböllen. An dem alteingesessenen Produktionsstandort für Bremssysteme wird der Roboter produziert, vorerst in Kleinserie. Derzeit ist man mit ersten externen Kunden in Verhandlung.

Wird die Innovation aus Rheinböllen eine Erfolgsgeschichte, kann sich das auch der Betriebsrat mit auf die Fahnen schreiben. Noch vor zwei Jahren wurde vom Konzernvorstand ein drastischer Stellenabbau verkündet – als Bestandteil eines Kostensenkungsprogramms, dem bundesweit 13 000 Jobs zum Opfer fallen sollten.

Dagegen regte sich heftiger Widerstand der Beschäftigten und der IG Metall. Eine Protestwelle mit Autokorsos, Warnstreiks und Urabstimmungen brachte das Management schließlich zum Einlenken – und Rheinböllen hatte plötzlich wieder eine Zukunft. Die Verhandlungen über den Zukunfts- und Sozialtarifvertrag gestalteten sich allerdings zäh. Die alleinige Ausrichtung auf Bremsen versprach langfristig keine Perspektive. Es fehlte ein Zukunftsprodukt.

„Wir haben doch eins“, meldeten sich die Betriebsräte zu Wort: den Roboter, der wenige Jahre zuvor in Rheinböllen gemeinsam mit Kollegen aus Frankfurt entwickelt worden war. Beharrlich warben die Beschäftigtenvertreter für den Ro­boter – bis er in den Zukunfts- und Sozialtarif­vertrag aufgenommen wurde. Seitdem hat die ­Weiterentwicklung des AMR deutlich Fahrt aufgenommen. Eine Variante für den Einsatz in großen Gewächshäusern steht kurz vor der Serienreife. „Natürlich sind wir nicht diejenigen, die den Roboter erfunden haben“, sagt Volker Diel. „Aber wären wir nicht so überzeugt gewesen und so hartnäckig geblieben, hätte man das Projekt vielleicht nicht weiterverfolgt. Und dann gäbe es für unser Werk eine Zukunftschance weniger.“

"Innovationen müssen die Gesellschaft voranbringen"

In der Telekommunikation verbinden Hubs verschiedene Geräte miteinander. Auch der „Hub: Transformation gestalten“ der Hans-Böckler-Stiftung soll verbinden: Institutionen und Betriebe mit guten Lösungen für den sozial-ökologischen Wandel. Ein Gespräch mit Christian Hoßbach, der den Austausch auf der Plattform organisiert.

Wofür steht für Sie der Begriff Innovation?
Für Gestaltung und für Lösungen. Innovationen müssen die Gesellschaft voranbringen. Ein rein technisches Verständnis greift aber zu kurz. Soziale und gesellschaftliche Innovationen sind genauso wichtig. Grundlegend für eine soziale Transformation ist zweifellos eine hohe Tarifbindung. Sie gehört zur Infrastruktur einer gerechten, aber auch einer innovationsstarken Gesellschaft, und deshalb sind die Auseinandersetzungen um Vergaberegeln, Tariftreuegesetze und Beschränkung der Tarifflucht auch mit Blick auf Innovation und Transformation wichtig.

Welche Rolle wird der Hub spielen?
Technischer Fortschritt muss mit sozialem und gesellschaftlichem Hand in Hand gehen. Das mitzudenken, auch den Blick auf die Arbeit wach zu halten, dafür setzen wir uns ein. Natürlich müssen wir den CO2-Ausstoß massiv senken. Da setzen die Klima­ziele harte Grenzen. Aber die sozialen Fragen müssen gleichrangig behandelt werden. Der Hub soll helfen, den Austausch über gute Lösungen und neue Erkenntnisse zu beschleunigen, nach außen, aber auch nach innen mit den Instituten und Projekten der Hans-Böckler-Stiftung.

Es geht um die Begleitung von Veränderungen?
Es geht um Gestaltung. Es reicht nicht, auf Veränderungen zu reagieren, wir müssen uns früh in die Debatten einmischen, Beteiligung einfordern. Und zwar aus der Per­spektive der Beschäftigten. Der Hub ist eine Antwort darauf, genauso wie die neue Förderlinie für Betriebe und Regionen, mit deren Hilfe Fragen zeitnah erforscht werden können, die bei Transformationsprozessen im Betrieb oder in der Region hochploppen. Es sollen Projekte sein, die auch als Beispiel für andere Betriebe und Regionen taugen.

Das Gespräch führte Fabienne Melzer

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