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Magazin Mitbestimmung

Grossbritannien: Hände weg von den europäischen Arbeitnehmerrechten

Ausgabe 04/2013

Die TUC-Vorsitzende Frances O’Grady fordert die Gewerkschaften zum Widerstand gegen den EU-Vorstoß von Premier David Cameron auf, der Arbeitnehmerrechte wieder ausschließlich national regeln will.

Ende Januar hat der konservative britische Premierminister David Cameron mit seiner europapolitischen Rede für Aufregung gesorgt. Darin hat er den Briten versprochen – vorausgesetzt, er werde 2015 wiedergewählt –, eine Volksabstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der EU abzuhalten. Was steckt dahinter?

David Cameron hat weniger ein Problem mit Europa. Er verfolgt parteipolitische Interessen. Wer wissen will, worauf Cameron abzielt, sollte einen Blick werfen in das von den Tories zeitgleich präsentierte „Manifesto for change – a new vision for Europe“. Mit diesem euroskeptischen „Fresh Start Project“ soll Gesetzeskompetenz von der EU wieder auf die nationale Ebene zurückgeholt werden – in der Finanzmarktregulierung, der Sicherheitspolitik, aber auch in Bezug auf die Arbeitnehmerrechte.

In ihrem Manifesto macht die konservative Regierung unverblümt klar, dass sie den britischen Arbeitnehmern die europäisch garantierten Rechte nehmen will – über Vertragsänderungen und ein Opting-out. Ihr Hauptargument lautet, dass „die von der EU vorangetriebenen Sozial- und Arbeitgesetze eine stetig wachsende Bürde für die britische Wirtschaft und ihre Unternehmer sind“. Es werden konkrete Verfahren aufgezeichnet, wie Großbritannien aus der Sozialgesetzgebung der EU und den Richtlinien für Arbeitnehmerrechte aussteigen soll, im Besonderen gilt das für die europäische Arbeitszeitrichtlinie und für die Richtlinie für Leiharbeitnehmer.

Außerdem schlägt Camerons Regierung vor, den Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) in Brüssel komplett abzuschaffen, weil der von den Gewerkschaften dominiert sei. Das ist nach Ansicht des TUC eine grobe Fehleinschätzung, denn tatsächlich ist der WSA eine tripartite Organisation, in der Arbeitgeber, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Gruppen gleichermaßen vertreten sind.

Camerons Regierung ist es nicht gelungen, Großbritannien aus der anhaltenden Rezession herauszuführen. Er lässt die Schwächsten für eine Wirtschaftskrise bezahlen, die sie nicht verursacht haben, und betreibt auf nationaler Ebene den Ausverkauf der Arbeitnehmerrechte. Die Regierung Camerons hat es den Arbeitgebern bereits leichter gemacht, unliebsame Beschäftigte zu entlassen. Gleichzeitig ist es für Arbeitnehmer schwieriger geworden, vor Gericht zu ihrem Recht zu kommen. Nun versucht die Regierung, die Mindestlöhne für Beschäftigte in der Landwirtschaft abzuschaffen und Menschen, die einen Arbeitsunfall hatten, die ihnen zustehende Entschädigung zu verweigern.

Aber es gibt Arbeitnehmerrechte, die David Cameron nicht antasten kann. Bisher. Das sind die Rechte des „sozialen Europas“ – das sind bezahlter Urlaub, Arbeitssicherheit, Gleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten und Frauen, Schutz der Beschäftigten im Falle eines Unternehmensverkaufs und Mitspracherechte am Arbeitsplatz. So gibt die Eurobetriebsratsrichtlinie sowie die Richtlinie über Information und Konsultation den britischen Arbeitnehmervertretern Rechte, die sie bisher nicht hatten. Ein nationales Recht, über Unternehmensentscheidungen konsultiert zu werden oder Betriebsräte zu errichten, kennen die Briten nicht.

Nun möchte der Premierminister wieder die Hoheit über diese Rechte gewinnen, aber nicht etwa, um sie zu verbessern! David Cameron möchte es schlechten Unternehmern – und damit schlechten Arbeitgebern – leichter machen,
die guten Unternehmer und Arbeitgeber zu unterbieten,
die Löhne zu drücken und die Beschäftigten in Großbritannien, die bereits mit die längsten Arbeitszeiten in Europa haben, noch länger arbeiten zu lassen. Dafür braucht er allerdings die Zustimmung der anderen europäischen Länder.

Das sollten die europäischen Gewerkschaften verhindern. Denn nicht nur die britischen, sondern die Arbeitnehmer in ganz Europa werden das Nachsehen haben, wenn der britische Premierminister sich mit seinem „Neustart für Europa“ durchsetzt. David Cameron will das soziale Europa insgesamt unterminieren – wenn er von der Notwendigkeit eines wettbewerbsfähigeren Europa und der Rückkehr zum Gemeinsamen Markt spricht.

Einige europäische Regierungen werden versucht sein, David Cameron weitreichende Zugeständnisse zu machen, nur um Großbritannien in der EU zu halten. Andere Regierungen werden versuchen, sich mit denselben Tricks der hart erkämpften Rechte ihrer Arbeitnehmer zu entledigen. Die Arbeitnehmer in Großbritannien zählen auf die Unterstützung ihrer Kollegen in ganz Europa. Gemeinsam müssen wir David Camerons Angriff auf die Arbeitnehmerrechte und das soziale Europa abwehren.

Text: Frances O'Grady, seit 2013 Generalsekretärin des britischen Gewerkschaftsbundes TUC

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