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Ökonomie: Geld für Konjunktur und Klima

Ausgabe 03/2020

Das neue Konjunkturprogramm der Bundesregierung bietet gute Ansätze für den Einstieg in eine transformative Agenda. Die Maßnahmen zur kurzfristigen Stabilisierung der Konjunktur sind dagegen schwächer ausgeprägt. Von Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung

Derzeit ist es schwierig, den Überblick über die staatlichen Hilfsprogramme zur Stützung der Wirtschaft zu behalten. Nach Angaben der Bundesregierung summierten sich bereits bis Mai die beschlossenen Hilfsmaßnahmen von Bund und Ländern auf mehr als 400 Milliarden Euro. Während diese Summe vor allem dafür genutzt wurde, Liquidität bei den Unternehmen zu sichern und über großzügigere Regeln beim Zugang zur Kurzarbeit Beschäftigung zu stabilisieren, folgte Anfang Juni nun das erste echte Konjunkturpaket, wieder mit einem dreistelligen Milliardenvolumen. Mit den neuen Maßnahmen soll nun ganz ausdrücklich die Nachfrage angekurbelt werden. 

Das tut bitter not: Hatten zu Beginn der Krise noch viele Volkswirte die Hoffnung geäußert, die Ausbreitung des Virus und die Kontaktbeschränkungen im In- und Ausland würden nur kurz den Wirtschaftskreislauf unterbrechen und die ausgefallene Produktion werde schnell nachgeholt, hat sich inzwischen die Einschätzung durchgesetzt, dass die Krise langfristigere Schäden in der Wirtschaft hinterlassen wird. In den Monaten der unterbrochenen Lieferketten und massiver Kurzarbeit (und steigender Arbeitslosigkeit) haben viele Unternehmen ihre Reserven verbrannt. Viele Betriebe haben nun konkrete Liquiditätsprobleme. Kurzarbeit und Jobverluste belasten derweil die Einkommen der Privathaushalte. Deshalb schwächeln nun nicht nur die Neubestellungen für Ausrüstungen, sondern auch der Konsum. 

Bei dem Konjunkturpaket – wie schon mit den Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld – folgen die handelnden Politiker in vielen Teilen dem Drehbuch aus der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09. Nicht zu Unrecht: Damals hatten die meisten Prognostiker eine lange Krise und eine langsame Erholung vorhergesagt. Es folgte ein – damals eigentlich wissenschaftlich zumindest in Deutschland verpöntes – Konjunkturprogramm, und die Wirtschaft erholte sich viel schneller, als vorhergesagt.

Der Ruf nach Transformation

Und während in der Öffentlichkeit weitgehend akzeptiert ist, dass in einer äußerst außergewöhnlichen Situation auch außergewöhnlich hohe Summen aufgerufen werden, waren in den Verhandlungen zum Konjunkturpaket zuletzt Rufe lauter geworden, die Ausgaben nicht nur auf eine einfache Konjunkturstützung zu fokussieren, sondern zugleich auch „transformativ“ auszurichten. Dafür müsste mit den Ausgaben auch der Umbau der Industriegesellschaft zu einer sozialeren und klimafreundlicheren Wirtschaftsweise gefördert werden. 
Grundsätzlich ist die Forderung völlig richtig. Alles deutet darauf hin, dass nach der Corona-Krise die öffentliche Schuldenquote Deutschlands von knapp unter 60 Prozent auf 70 bis 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen sein wird. Bereits der im März beschlossene Nachtragshaushalt des Bundes sieht über die kommenden 20 Jahre rund acht Milliarden Euro Tilgung pro Jahr vor – Mittel, die für andere Investitionen fehlen werden. 

Die Gefahr besteht nun, dass es künftig in der politischen Diskussion heißt, für Zukunftsinvestitionen in Transformation, Verkehrswende, öffentliche Daseinsvorsorge und Bildung sei jetzt leider kein Geld mehr da. Ökonomisch ist dieses Argument zwar falsch, da die Zinsen anhaltend niedrig bleiben dürften und viele der notwendigen Zukunftsinvestitionen hohe Renditen für den Staat in Form höheren Wirtschaftswachstums und höherer Steuereinnahmen in der Zukunft versprechen. Angesichts der weit verbreiteten Sorge in Deutschland vor drohender Überschuldung des Staates dürfte es aber trotzdem politische Wirkung zeigen.

Deshalb ist es wichtig, einen möglichst großen Anteil der konjunkturwirksamen Ausgaben so zu verwenden, dass die Wirtschaft damit in die richtige Richtung bewegt wird. Von daher ist es hocherfreulich, dass das Konjunkturpaket unter dem Titel „Zukunftspaket“ massive Investitionen in Nachhaltigkeit und Zukunftstechnologien enthält – von denen viele jenen ähneln, die in dem Ende Mai erschienenen Gutachten des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung und dreier anderer Institute im Auftrag des Bundesumweltministeriums vorgeschlagen wurden.

Allerdings darf bei einer transformativen Ausrichtung von Konjunkturprogrammen auch nicht das erste Ziel, die kurzfristige Stützung von Nachfrage, Produktion und Beschäftigung, vergessen werden. In der Krise 2008/09 stellten renommierte US-Ökonomen die These auf, Konjunkturprogramme müssten den „drei Ts“ genügen: Sie müssten „timely“, „targeted“ und „temporary“ sein. Schnell (timely) bedeutet dabei, dass die Programme schnell wirken müssen. Zielgerichtet (targeted) bedeutet, dass die Gelder so eingesetzt werden sollen, dass ein möglichst großer positiver Effekt für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage entsteht. Das Kriterium der zeitlichen Begrenztheit (temporary) sollte sicherstellen, dass mit den Maßnahmen nicht langfristig die öffentlichen Haushalte belastet werden, sodass keine spätere Überschuldung droht.

Die Kriterien der Geschwindigkeit und der Zielgenauigkeit gelten nach wie vor, auch wenn in der aktuellen Debatte den drei Ts ein viertes T für „transformativ“ hinzugefügt worden ist. Für viele der Ideen für eine sozialökologische Transformation sind diese Kriterien aber leider nicht voll erfüllt. Der Aufbau eines Wasserstoffnetzes etwa ist zwar transformativ richtig, aber kaum innerhalb weniger Monate umzusetzen.

Das Kriterium der zeitlichen Begrenztheit ist dagegen heute weniger wichtig – zumindest, wenn es um öffentliche Investitionen mit großem Potenzial geht, um das langfristige Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Da diese Investitionen an sich mittelfristig die Staatsfinanzen durch dann höhere Steuereinnahmen entlasten und gleichzeitig die Zinsen für deutsche Staatsanleihen sogar negativ sind, kann und sollten sie Teil einer Stabilisierungsstrategie sein. Anders sieht es mit dauerhaften Steuersenkungen zur Konjunkturstützung aus: Diese sind auch heute nicht sinnvoll, weil sie weder zeitlich begrenzt sind noch mittelfristig die Staatsfinanzen entlasten. Deshalb ist es gut, dass sich solche auch nicht im Konjunkturpaket finden. 

Kriterien für ein gutes Programm

Was heißt das nun ganz konkret für ein gut designtes Konjunkturprogramm? Elemente mit kurzfristig vor allem nachfragestabilisierendem Charakter sollten kombiniert werden mit massiven transformativen Investitionen. Diese Investitionen würden zwar überwiegend nicht sofort voll greifen, aber bereits jetzt die Erwartungen der Unternehmen stabilisieren. Außerdem würden sie die Nachfrage stützen, wenn der Effekt der kurzfristigen Maßnahmen ausläuft.

Das erfolgreiche Konjunkturpaket II aus dem Jahr 2009 bestand ebenfalls aus einer Kombination kurzfristiger und mittelfristiger Maßnahmen: Kurzfristige Nachfrageankurbelung mit Abwrackprämie, Abschreibungsregeln und Kinderbonus und mittelfristig die Steigerung der Kommunalinvestitionen. Die Transformation spielte damals dagegen praktisch keine Rolle. Das Anfang Juni beschlossene Konjunkturpaket der Bundesregierung hat nun eine Reihe guter Ansätze für einen Einstieg in eine transformative Investitionsagenda. Dagegen sind die Maßnahmen zur kurzfristigen Konjunkturstabilisierung schwächer ausgeprägt. Inwieweit die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung hier wirklich hilft, muss sich erst noch zeigen. Sehr groß bleibt hier die Gefahr, dass die Unternehmen die Steuersenkung nicht in Form niedrigerer Preise an die Kunden weitergeben. Dann droht der Impuls zu verpuffen. 

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