zurück
Magazin Mitbestimmung

: Feiern am großen Fluss - 50 Jahre Hans-Böckler-Stiftung

Ausgabe 07/2004

Rund 460 Gäste waren dabei, als die Hans-Böckler-Stiftung am 2. Juni einen runden Geburtstag beging. So etwas ist ein öffentliches Ereignis - Festreden werden gehalten, es wird Geschichte und Politik gemacht. Aber mehr noch ist es ein Familientreffen.

Von Kay Meiners
Kay-Meiners@boeckler.de  

Lange Banner in Rot und Orange, den Stiftungsfarben, schmücken das Foyer des Tagungszentrums "Rheinterrasse". Hell und großzügig ist dieser Raum, auch dann noch, wenn ein paar hundert Menschen ihn füllen. Um kurz vor zwei Uhr öffnet der Rheingoldsaal seine Türen zu Kaffee und Kuchen - eine goldene Kuppel, schwelgerische, expressionistische Architektur aus dem Krisenjahr 1926, als Wilhelm Kreis hier für die Ausstellung "Gesundheitspflege - Soziale Fürsorge - Leibesübungen" baute. Im Kern ist alles noch erhalten, nur um moderne, helle Räume ergänzt. Ein schöner Ort, direkt am Fluss, ganz nah an den Plätzen, an denen die Ursprünge der Stiftung liegen. Der Festtag selbst, der 2. Juni, ist dagegen willkürlich gewählt, er bezieht sich auf kein historisches Gründungsdatum. Welches hätte man auch nehmen sollen, wenn man die zwei Vorgängerorganisationen gleichermaßen ehren will - die Stiftung Mitbestimmung und die Hans-Böckler-Gesellschaft?

Einige Leute unken, man hätte lieber nach Berlin gehen sollen, wegen der Presse - aber das wäre ein anderes Fest gewesen. Hier in Düsseldorf ist es ein Familientreffen. Peter Hartz ist da, der Arbeitsdirektor von VW, dessen Name mit den umstrittenen Arbeitsmarktreformen verbunden ist; Anke Fuchs, SPD-Politikerin und Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung; der fast 80 Jahre alte Ernst Breit, der von 1982 bis 1990 das Amt des DGB-Vorsitzenden bekleidet hat - dazu Mitglieder der Stiftungsgremien wie Arbeitsdirektor Rolf Reppel oder Wolf Jürgen Röder von der IG Metall, und alle noch lebenden früheren Geschäftsführer: Frank von Auer, Gerhard Leminsky, sogar Erhard Lenk, der die Stiftung 1984 nach heftigen Konflikten verließ und sich lange in Abstinenz geübt hat. Nicht jeder redet mit jedem - aber zusammen feiern, das geht nun wieder.

Vom Radschlägersaal, in dem der DGB-Vorsitzende Michael Sommer und Ministerpräsident Peer Steinbrück ihre Reden halten werden, schaut man durch eine riesige Glasfront direkt auf den Fluss, auf ein Stück unverbaute Uferlinie, unwirklich schön.

Ein Bild Hans Böcklers ist direkt neben dem Rednerpult angebracht. Eine kurze Begrüßung durch Geschäftsführer Nikolaus Simon, dann ergreift Michael Sommer das Wort. Er erklärt, dass der DGB stolz ist auf eine "geachtete, eine produktive und eine innovative Stiftung", die sich "mit den Gewerkschaften verbunden fühlt", und fügt hinzu: "Ich sage das so pointiert, weil wir natürlich wissen, dass eine gute Stiftungsarbeit nur gedeihen kann, wenn sie auch die notwendige Freiheit hat, zu atmen, sich selbst zu entwickeln, zu kooperieren - auch aus sich selbst heraus zu leben." Eine Sache aber will er noch loswerden, im Auftrag des Vorstands: "Im Prinzip macht weiter so - vielleicht mit einer Ausnahme: Sorgt dafür, dass es einen noch besseren Transfer eurer Arbeit gibt."

Diese Passage ist auf den dritten Geschäftsführer der Stiftung, Wolfgang Jäger gemünzt. Gerade erst hat der Vorstand ihn eingesetzt, er soll sich um den Geschäftsbereich Transfer und Marketing, die frühere Öffentlichkeitsarbeit, kümmern. Die Stiftung, sagt Sommer, solle in Zukunft einen noch intensiveren Transfer leisten - "in die Gewerkschaften hinein, in den Kreis der Förderer hinein, aber auch in die Öffentlichkeit hinein."

Bekenntnis zur Mitbestimmung

Ministerpräsident Steinbrück beginnt seine Rede historisch, sagt, es wäre "im Sinne der historischen Wahrheit, wenn der Name Hans Böckler in einem Atemzug mit Ludwig Erhard fallen würde, wenn die soziale Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland gefeiert wird." Dann legt er ein klares Bekenntnis zur Mitbestimmung ab: "Sie ist ein Kernelement praktizierter Demokratie in den Betrieben und in den großen Unternehmen.

Ballast mag die Mitbestimmung für politische Leichtgewichte sein, für uns ist die demokratische Betriebsverfassung ein Gut von sehr hohem Gewicht." Aber Steinbrück hat an diesem Nachmittag noch eine andere Mission. Das Verhältnis zwischen der SPD und den Gewerkschaften ist gespannt, und er nutzt die Gelegenheit, um eindringlich für seine Politik zu werben. Steinbrück spricht von "unabweisbar vorhandenen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen." Er sagt: "Das gilt auch für die Gewerkschaftsbewegung." Dann zählt er diese Herausforderungen auf: den demografischen Wandel, der unsere Gesellschaft altern lässt, die unzureichende Wachstumsdynamik, die öffentliche Verschuldung, die Folgen der Globalisierung.

Der Ministerpräsident rechnet vor, dass die Beiträge für die Sozialversicherung nicht immer weiter wachsen können, spricht sich für einen höheren Steueranteil aus, spricht von einer gewissen Behäbigkeit, einem "etatistischen Reflex", warnt davor, den Konsum von heute durch immer mehr Schulden zu finanzieren. Nicht alles, was er sagt, wird gerne gehört, oft ist der Applaus nur verhalten. So, als wolle er alle Argumente noch einmal zusammenfassen, erklärt er: "Ich fürchte, dass wir uns in der Bundesrepublik Deutschland dem gegenüber nicht als Insel der Seligen abschotten können." Und dann: "In der Tat gibt es keine einfachen Lösungen. Wenn ich eine hätte, ich würde sie Ihnen sofort präsentieren, oder ich würde einen gut dotierten Beratervertrag beim DGB oder auch woanders annehmen." Man muss nur ins Publikum sehen, hinsehen, wer klatscht und wer nicht, dann weiß man: Auch hier gibt es keine einfachen Lösungen. Draußen fließt der Rhein vorbei, ein europäischer Fluss, mit großer Gelassenheit.

Über Europa ist heute nur einmal gesprochen worden. Michael Sommer hat in seiner Rede vorgeschlagen, den Hans-Böckler-Preis wieder zu beleben. Zuletzt ist er im Jahr 2001 an Peter Schulz verliehen worden, den Betriebsratsvorsitzenden der Hennigsdorfer Elektrostahlwerke, nun ist er ausgesetzt, da sein Profil in den letzten Jahren an Kontur verloren hatte. Sommer spricht sich dafür aus, "dass wir den Preis in Zukunft an Persönlichkeiten und Institutionen vergeben sollten, die sich insbesondere um die Pflege des Mitbestimmungsgedankens in Europa verdient gemacht haben." Es ist eine gute Idee, aber auch sie stimmt das Wetter nicht gnädig. Die schweren Wolken, die heute am Himmel hängen, entladen sich in sintflutartigen Regengüssen. Jetzt muss man sehen, wie man nach Hause kommt.

 

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen