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: Editorial

Ausgabe 09/2003

Zu Besuch bei den Konzerntöchtern


Liebe Leser/innen,
gibt es so etwas wie einen neuen Internationalismus der Arbeitnehmervertreter im Konzern? Aber ja! Schauen Sie doch nur unseren Titel an. Dort finden Sie Fotos von und mit Frank Patta: Der Sprecher der Vertrauensleute von VW Wolfsburg lebte sechs Wochen lang bei brasilianischen VW-Kollegen in der Region São Paulo und teilte mit ihnen ein familiäres Gewerkschaftsleben.
Oder die Gruppe mit den Helmen! Das sind deutsche und russische Arbeitnehmervertreter von Henkel vor dem Waschmittelwerk des Konzerns im russischen Perm - am Ural, an der Grenze Europas. Dokumentiert hat die Begegnung Winfried Zander, Betriebsratsvorsitzender von Henkel in Düsseldorf, der uns von seinen Eindrücken und Erfahrungen berichtet. 
Auch der Degussa-Betriebsrat Helmut Wolf hat mehr als zwei Jahren daran "gearbeitet", ehe ihm ein Besuch in den Werken in China, Korea und Taiwan ermöglicht wurde. Nun weiß er Bescheid, wie es in den asiatischen Konzerntöchtern um den Gesundheitsschutz und die Qualifikation bestellt ist. "Die fremden Bilder", sagt der Betriebsrat, "haben mich lange nicht losgelassen."
Diese Bilder einer weltweiten Arbeitsteilung, dieses neue Wissen befähigt die Interessenvertreter, qualifiziert in ihren Mitbestimmungsgremien zu diskutieren über Standortprofile und -verlagerungen. Und die schreiten rasant voran. Kürzlich warnten Arbeitgebervertreter und Gewerkschaften vor einer neuen globalen Verlagerungswelle von hochqualifizierten Entwicklerjobs in Billiglohnländer, nach Indien, Osteuropa, China. Wir zeigen in diesem Heft die andere Seite - etwa wie im Boom der indischen Softwareindustrie Aufstiegshoffnungen wachsen und wie die Arbeitsbedingungen aussehen.
Hierzulande diskutieren Betriebsräte und Gewerkschafter der IG Metall, wie sie die deutschen Belegschaften für eine weltweite Sozialcharta im Konzern gewinnen können. Wir stellen in diesem Kontext ein Abkommen mit einer Art Gütesiegel vor - das von Faber-Castell. Es zeigt: Die Verankerung und die Überprüfung von Kernarbeitsnormen kann weltweit Freiräume für die gewerkschaftliche Organisierung von Beschäftigten eröffnen. Auf unserem Foto besuchen Klaus Zwickel und Graf Faber-Castell nach Unterzeichung des Abkommens den Betrieb. 
Die Akteure für eine Weltarbeiternehmervertretung zusammenzubringen ist harte Arbeit, wie man bei Nestlé sieht. Auch wenn der Eurobetriebsrat Sprungbrett und Modell ist - ohne massive gewerkschaftliche Unterstützung geht da gar nichts.
Interessante Lektüre wünscht
Cornelia Girndt

cornelia-girndt@boeckler.de