: Editorial
Von Cornelia Girndt cornelia-girndt@boeckler.deMotivieren statt messen
Liebe Leser/innen,
wir alle wissen: Am Arbeitsplatz kann man wachsen und gedeihen, aber da können auch Talente verkümmern oder gar nie entdeckt werden. Wenn aber stimmen sollte, was die Unternehmensberater von Gallup jetzt herausgefunden haben, dass nämlich nur 15 Prozent der Angestellten in deutschen Unternehmen und Behörden sich in ihrem Job engagieren - dann gute Nacht Deutschland! Sogar noch gewachsen ist in den vergangenen zwei Jahren die große Schar der Unzufriedenen. Und wer ist schuld? Die Vorgesetzten, sagten die Mitarbeiter den Forschern, denn die Chefs geizen mit Anerkennung und fördern nicht die Entwicklung des einzelnen Mitarbeiters.
Zugegeben - das Geschäft der Personalentwicklung und Leistungsmotivation ist ein schwieriges. Gerade deshalb könnte man ganze Bibliotheken mit Artikeln und Büchern zum Human-Resource- Management füllen: Bücher, die trefflich beschreiben, wie Handlungsspielräume plus Erfolgserlebnisse Arbeitnehmer immer wieder aufs Neue zu einem überdurchschnittlichen Einsatz motivieren. Aber auch Bücher, die arbeitende Menschen derart bilanztechnokratisch zum Kostenfaktor degradieren, dass man sich fragt, wie die denn jemals Leistungsfreude empfinden sollen.
Hier tut sich ein weites Feld für Gewerkschaften auf, das wir in diesem Heft beackern: Einmischung in die Strategien des Human-Resource-Managements ist angesagt, sowie die erweiterten Mitbestimmungsrechte und die tarifvertraglichen Werkzeuge zu nutzen, um die Weiterbildung der Mitarbeiter voranzutreiben - betrieblich und individuell. Verstärkt greifen heute Betriebsräte und Gewerkschaften in die laufenden Leistungsermittlungen ein, damit es halbwegs begründet und fair zugeht, wenn quer durch die Republik gemessen, beurteilt und zielvereinbart wird. Oder wenn an die Beschäftigten Schulnoten verteilt und sie in Ranglisten einsortiert werden - durch Vorgesetzte, die ihrerseits immer seltener ein Mitarbeiter-Feedback erhalten, denn das scheint offenbar aus der Mode gekommen zu sein.
Keine Missverständnisse: Wir sind absolut für engagierte, leistungsfreudige Beschäftigte, die sich zeitweise auch mal richtig auspowern. Aber es müssen Gegenleistungen da sein: Handlungsspielräume, Mitsprache, Mitbestimmung. Dann ergibt sich die von den deutschen Angestellten so schmerzlich vermisste Anerkennung am Arbeitsplatz von selbst.
Erkenntnisreiche Lektüre und frohe Festtage wünscht
Cornelia Girndt