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Barbara Muraca Magazin Mitbestimmung

Altstipendiatin: Die Umwelt-Philosophin

Ausgabe 03/2016

Barbara Muraca, gebürtige Italienerin, promovierte in Deutschland über Nachhaltigkeitstheorie. Jetzt lehrt die Altstipendiatin in einer US-Kleinstadt Umweltphilosophie. Von Ingo Zander

Die Kleinstadt Corvallis in Oregon, im Nordwesten der USA, liegt in einem Tal, umringt von Wäldern, und in einem Staat, in dem die weltweit führenden Saatgutproduzenten ansässig sind. „Wenn ich morgens mit dem Fahrrad zur Uni radle, sehe ich viel Grün“, sagt Barbara Muraca. Die öffentlichen Verkehrsmittel für die 50 000 Einwohner sind kostenlos. 

Seit Anfang 2015 lehrt Barbara Muraca, 44, hier an der Oregon State University als Assistenzprofessorin Umweltphilosophie. Sie gibt Einführungen in Ethik und thematisiert das Verhältnis von Mensch und Natur in unterschiedlichen Kulturen.

Amerika, sagt Muraca, sei „ein Kulturschock“ für sie gewesen: „Die Studenten sind viel weniger selbstständig als in Deutschland. Sie werden schon in der Schule permanent durch Tests geschleust.“ 

Vor gut 20 Jahren musste sich die gebürtige Italienerin schon einmal ziemlich umstellen. Sie kam von Turin nach Norddeutschland mit ihrem Magister in Philosophie in der Tasche: „Die Menschen waren viel distanzierter als bei uns.“ Zu dem Schritt hatte sie sich entschlossen, um sich leichter von ihrem Elternhaus lösen zu können. Eine große Rolle für ihre politische Sozialisation spielte ihr Großvater. „Ein alter Sozialist, der mir schon als ich Kind war, aus der Tageszeitung vorlas.“ 

Den Zugang zu Umweltthemen fand sie über die Kirche, die einzige Institution, die sich mit den Jugendlichen beschäftigte. „Wir hatten einen kommunistischen Priester, der mich mit seinen Thesen zu ‚Sozialer Gerechtigkeit‘ sehr beeindruckte.“ Sie fand von der sozialen Frage zu den globalen Umweltkonflikten, „nicht umgekehrt“. Auch die Befreiungstheologie lernte sie kennen. Noch heute empfindet Muraca eine starke Nähe zur katholischen Liturgie, die sie als „wunderbaren Ort der Gemeinschaft“ beschreibt. Ein ähnliches Gemeinschaftsgefühl, fand sie auch bei den „Festa dell’Unità“ der kommunistischen Partei. Doch als Frau sah sie keine Perspektive in der Kirche. 

In Hamburg angekommen lehrte Muraca an der Volkshochschule Italienisch als Fremdsprache und engagierte sich in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Von 2001 bis 2003 bekam sie mit ihrem Magister in Philosophie eine Chance als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Umweltkommunikation an der Universität Lüneburg.

Danach promovierte Barbara Muraca mit einem Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung über Nachhaltigkeitstheorie. Da sie in Deutschland aber nur Zeitverträge angeboten bekam, entschied sie sich, eine Assistenzprofessur in Oregon anzunehmen. 

Dies sei keine einfache Entscheidung gewesen, sagt Muraca. Denn nun lebt sie den Großteil des Jahres getrennt von ihrem deutschen Mann lebt. Dafür hat sie zum ersten Mal das Gefühl, als Frau an der Hochschule vollkommen gleichberechtigt zu sein. „In Deutschland habe ich in Berufskommissionen öfter erlebt, dass ein guter Platz von Wissenschaftlerinnen auf Berufungslisten von Professoren herablassend kommentiert wurde.“ 

Weniger gut sieht es mit den sozialen Rechten an amerikanischen Hochschulen aus. An der Oregon State University in Corvallis versuchen drei Vertreter der Gewerkschaften, den Lehrkörper gewerkschaftlich zu organisieren – wie an Nachbaruniversitäten. „Sie müssen dafür eine Mehrheit hinter sich bringen, damit die Universitätsleitung sie überhaupt als Verhandlungspartner anerkennt.“ Muraca unterstützt diese Aktivitäten. „Bis wir uns sicher sein können, eine Mehrheit zusammenzubringen, finden die Treffen leise und inoffiziell statt, damit wir nicht die Aufmerksamkeit der Universitätsleitung auf uns ziehen und Abwehr auslösen.“

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