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Magazin Mitbestimmung

Jubiläumsfeier: Die Gesellschaft profitiert

Ausgabe 04/2016

Bundespräsident Gauck hält die Unternehmensmitbestimmung für ein Kulturgut und ein Modell mit Zukunft. Der DGB drängt darauf, den Stillstand zu überwinden. Von Cornelia Girndt und Margarete Hasel

„Die Gesellschaft profitiert als Ganzes, wenn kooperative Lösungen gefunden werden.“ Deutschland seien „Dauerkonfrontationen und Dauerblockaden erspart geblieben“ – nicht zum Nachteil der industriellen Substanz des Landes. „Grundsätzlich gilt: Wenn die Arbeitnehmer einbezogen sind, werden Härten gemildert und neue Wege gefunden.“ 

Mit Sympathie und Emphase würdigt Bundespräsident Joachim Gauck die Unternehmensmitbestimmung aus Anlass ihres 40. Geburtstages. Er spricht am 30. Juni im Festsaal des Historischen Museums in Berlin vor rund 600 Gästen aus Wirtschaft und Politik, unter ihnen 250 Arbeitnehmer-Aufsichtsräte großer Unternehmen, die er seiner Wertschätzung versichert. Beim Festakt mit dabei – und bis in die späte Nacht in vielerlei Gespräche verwickelt – sind Kurt Biedenkopf und Hellmut Wißmann, die Granden jener Regierungskommissionen, die der stets umstrittenen 76er-Mitbestimmung mit ihrer Expertise den Weg ebneten. 

Hommage an die Sozialpartnerschaft

„Mitbestimmung“, so der Bundespräsident, „ist ein Kulturgut, das wir in der ganzen Welt vorzeigen können“, wobei er gelegentlich bei seinen Auslandsreisen auf der Arbeitgeberseite einen gewissen Stolz auf dieses Kulturgut vermisse.

Dass die 76er-Mitbestimmung seinerzeit „nicht ganz reibungslos“ über die parlamentarische Bühne ging, daran erinnert Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände. Aber „im Rückblick dürfen wir sagen: Wir können nicht alles falsch gemacht haben“ – angesichts „unserer Spitzenposition in Europa. Und weltweit geht es uns auch nicht schlecht.“ Der BDA-Präsident bejaht auch, dass Mitbestimmung und Tarifautonomie das Fundament unserer Arbeitswelt bilden. Und erwähnt, wie er bei gemeinsamen Auftritten mit dem DGB-Chef in Brüssel, Paris und London „diesen unseren Weg“ vertrete, den der Sozialpartnerschaft. 40 Jahre, das sei „ein guter Anlass, die Debatte über den Weg der Mitbestimmung wieder ­aufzunehmen“, formuliert Ingo Kramer ein Angebot zum Dialog. 

Doch, ganz Verbandsvertreter, nutzt er die Gelegenheit, zugleich sein großes „Aber“ zu formulieren. Kramer reklamiert jenen „Reformbedarf“, für den BDA und BDI schon vor über zehn Jahren heftig – und vergeblich – gefochten hatten: dass die Unternehmen ihr eigenes Modell verhandeln, während „der Staat nur die Auffanglösung bereitstellt“. 

Stetes Ringen um Balance und Teilhabe

Da ist der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann doch ganz anderer Meinung – und fordert den Gesetzgeber auf, „die Lücken im Mitbestimmungsgesetz zu schließen und den mitbestimmungspolitischen Stillstand zu überwinden“. Ansonsten riskiere Deutschland einen bedeutsamen Standortvorteil. 

Der DGB-Vorsitzende beschönigt nichts: Der Rückgang mitbestimmter Unternehmen um 17 Prozent seit 2002, die Tatsache, dass kaum noch neue Unternehmen in den Geltungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes hinzukommen, sprächen eine klare Sprache. Die Folge: 800 000 Beschäftigte, die eigentlich ein Recht darauf haben, haben keine Mitbestimmung im Aufsichtsrat. Der Grund: Ausweichstrategien. 

„Was wir in Zeiten des Umbruchs brauchen, ist nicht weniger, sondern mehr Mitbestimmung“, betont Hoffmann. Es könne nicht angehen, dass europäisches Unternehmensrecht missbraucht wird, um Mitbestimmung zu vermeiden, darin seien sich die Arbeitnehmerorganisationen im Europäischen Gewerkschaftsbund einig. Auch Festredner Gauck ermutigt die Arbeitnehmerseite zu Optimismus im globalen und digitalen Wandel. „Das Ringen um Balance und Teilhabe ist ein Modell mit Zukunft, davon bin ich überzeugt.“

Mehr Informationen

 Videos, Fotoimpressionen und Vorträge von der Jubiläumsveranstaltung am 30. Juni 

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