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Magazin Mitbestimmung

: Der Schadensfall-Fonds greift

Ausgabe 04/2010

HAFTUNGSRISIKEN Der Corporate Governance Kodex fordert im Haftungsfall auch für Aufsichtsräte einen Selbstbehalt. Für diesen Fall bietet die Hans-Böckler-Stiftung ihren Förderern eine Rückerstattungsoption an. Von Nikolaus Simon

Nikolaus Simon ist Sprecher der Geschäftsführung der Hans-Böckler-Stiftung.

Die Montanmitbestimmung seit 1951 und die Mitbestimmung nach dem Gesetz von 1976 bringen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in großen Unternehmen starke Beteiligungs- und Einflussmöglichkeiten. Damit einher geht seit jeher ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Verantwortung gegenüber Belegschaft, Unternehmen und Gesellschaft. Als sich die Diskussionen um gute Unternehmensführung verstärkten und im Deutschen Corporate Governance Kodex und in Gesetzen zur Verbesserung der Unternehmenskontrolle niederschlugen, waren Arbeitnehmervertretungen im Aufsichtsrat, der DGB und seine Gewerkschaften und die Hans-Böckler-Stiftung aktiv beteiligt. Dies jedoch mit dem klaren gewerkschaftlichen Willen, die Tradition und Stärke der Mitbestimmung nicht als bloßes Anhängsel von Corporate Governance verkümmern zu lassen. Neue Anforderungen an die Arbeit der Aufsichtsräte werden begleitet durch entsprechende Qualifizierungsangebote - das versteht sich für die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat von selbst und ist gute Tradition.

DISKUSSION UM VERANTWORTUNG_ Selbstverständlich sind Aufgaben und Verantwortung von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretung gleich. Entgegen einseitigen Professionalisierungsvorstellungen bleiben aber Betriebsratsmitglieder, gerade wenn sie eine Bilanz qualifiziert lesen und deuten können und die einschlägigen Gesetze kennen, auch im Aufsichtsrat betriebliche Interessenvertretung und Gewerkschafter. Auf der Anteilseignerseite sind ja auch Versicherungsdirektoren und Bankvorstände den Unternehmen in ihren Rollen verbunden. Berufsaufsichtsräte, die Vorstandskontrolle speziell erlernen und dann vermeintlich objektiv kontrollieren sollen, die faktisch aber ohne die bewährte Anbindung an die gesamtwirtschaftliche und soziale Verantwortung der Unternehmen Aufsicht führen, sind und bleiben eine Schnapsidee. Sinn machen solche Gedankenspiele allenfalls als Strategie zur Einschränkung des Einflusses der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Vor diesem Hintergrund bewerten wir die Zunahme der Bedeutung von Haftungsfragen. Dabei sollte zuallererst zwischen Produkthaftung gegenüber Kunden und Haftung von Unternehmensorganen unterschieden werden.

Immer wieder geraten Unternehmen wegen Schadenersatzforderungen in die Schlagzeilen. Das nimmt offensichtlich zu, und es geht hier um große Summen. Aktuell trifft es Toyota mit geschätzten Hunderten Millionen Euro. Für solche Fälle der Produkthaftung ist aber ausschließlich das Unternehmen zuständig. Für Vorstand bzw. Geschäftsführung sowie Aufsichtsrat gilt die sogenannte Organhaftung, sowohl nach außen als auch nach innen. In der Praxis steht jedoch wegen der operativen Verantwortung das Leitungsorgan deutlich stärker im Risiko als der Aufsichtsrat. Trotz dieser Ungleichverteilung der Risiken hat die Diskussion um Haftung einen enormen Schub erfahren. Anlass sind die in den letzten Jahren verbreiteten Praktiken, eine sogenannte "Directors & Officers Liability Insurance", kurz D&O-Versicherung, abzuschließen. In der Diskussion um gute Unternehmensführung zeigten viele Unternehmen Interesse, nicht nur die Vorstände oder Geschäftsführungen, sondern auch Aufsichtsräte gegen Fehler abzusichern.

DIE LÖSUNG DER STIFTUNG_ Wogegen wird ein Aufsichtsratmitglied mit einer D&O-Versicherung versichert? Es werden Unternehmensschäden abgedeckt für den Fall, dass kein grob fahrlässiges Fehlverhalten nachgewiesen werden kann. In Verbindung mit dem Abschluss einer D&O-Versicherung verlangt der Deutsche Corporate Governance Kodex allerdings auch einen Selbstbehalt, also eine Selbstbeteiligung des Aufsichtsratsmitglieds. Damit soll die Eigenverantwortung gestärkt und die Aufmerksamkeit erhöht werden. Oder anders gesprochen, einer Rundumversicherungsmentalität soll vorgebaut werden. Der vom Gesetz seit Sommer 2009 für Vorstände festgelegte Selbstbehalt soll entsprechend für den Aufsichtsrat gelten. Die Obergrenze ist das Eineinhalbfache der festen jährlichen Vergütung.

Die Hans-Böckler-Stiftung hat auf die Diskussion um Haftungsrisiken und Versicherung frühzeitig reagiert. Bereits im Jahr 2003 haben wir einen "Schadensfall-Fonds" eingerichtet. Aufsichtsratsmitglieder können daraus im Schadensfall genau den Betrag zurückerhalten, den sie insgesamt an die Hans-Böckler-Stiftung überwiesen haben. Die Finanzaufsicht verlangt dazu aber die Erklärung des Aufsichtsratsmitglieds gegenüber der Stiftung, dass es die Abführungen nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung im Schadensfall leistet. Mit dem Schadensfall-Fonds ist dann der Selbstbehalt der D&O-Versicherung abgedeckt und muss nicht zusätzlich versichert werden. Wer dies dennoch tun möchte, sollte seine Gewerkschaft konsultieren, damit ein weitgehend abgestimmtes Verhalten aller Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmerseite zum Tragen kommen kann. Im Übrigen kann auf die abgeführten Mittel selbstverständlich auch zurückgegriffen werden, wenn die Versicherung nicht greift oder keine Versicherung abgeschlossen wurde.  

 

 

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