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DANIEL HLAVA zum Paketboten-Schutz-Gesetz Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: "Das Gesetz ist gut, doch es allein kann nichts am Arbeitsdruck ändern."

Ausgabe 01/2020

Daniel Hlava, wissenschaftlicher Referent für Sozialrecht und Europäisches Arbeitsrecht am Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht der Hans-Böckler-Stiftung, begrüßt das neue Paketboten-Schutz-Gesetz als einen ersten Schritt in die richtige Richtung.

Ungewöhnlich schnell hat die Bundesregierung im November 2019 ein neues Gesetz erlassen, das die Nachunternehmerhaftung in der Branche ausweitet – das „Paketboten-Schutz-Gesetz“. Es sollte noch im Weihnachtsgeschäft, der für den Versandhandel umsatzstärksten Zeit des Jahres, seine Wirkung entfalten. Die Paketdienste sind dann besonders belastet, die Arbeitsbedingungen sind schwierig. Dies gilt insbesondere dort, wo nicht mit fest angestellten Arbeitnehmern, sondern über Subunternehmer gearbeitet wird. Prekäre Arbeitsverhältnisse, Sozialbetrug und Schwarzarbeit sowie Verstöße gegen Arbeitszeit- und Mindestlohnvorschriften sind in Teilen der Branche ein Problem, wie sich bei groß angelegten Razzien deutlich zeigte.

Was bewirkt das neue Gesetz? Wenn ein Unternehmen ein Subunternehmen mit der Beförderung von Paketen beauftragt, dann haftet der Auftraggeber jetzt dafür, dass das Nachunternehmen die Sozialversicherungsbeiträge für die eingesetzten Beschäftigten abführt. Statt gegenüber einem möglicherweise insolventen Nachunternehmer können die Sozialversicherungsträger offenstehende Sozialbeiträge auch gegenüber größeren Paketunternehmen geltend machen. Das neue Gesetz schützt sowohl die einzelnen Paketboten als auch die Gemeinschaft der Beitragszahler davor, dass Sozialbeiträge verloren gehen. Zugleich dient es der Bekämpfung von Schwarzarbeit. An dem täglichen Arbeitsdruck in der boomenden Branche kann es nichts ändern. Weitere Bausteine müssen folgen. Abhilfe bedarf es beispielsweise bei der Bekämpfung von Mindestlohnverstößen, Befristungen und Verstößen gegen Arbeitszeitvorschriften. Dennoch ist das Gesetz ein wichtiger Schritt. Es orientiert sich an Regelungen, wie es sie im Baugewerbe schon seit 2002 gibt, in der Fleischwirtschaft seit dem Jahr 2017. In der Baubranche lässt sich zeigen, dass die Nachunternehmerhaftung die Situation der Beschäftigten verbessert hat. 

Gegen das Paketboten-Schutz-Gesetz wurde von mancher Seite eingewandt, dass der Staat seine Kontrollen verbessern müsse, anstatt Unternehmen mit neuen Haftungsrisiken zu belasten. Tatsächlich führt der Personalmangel bei den Behörden zu einem Kontrolldefizit, das behoben werden muss. Gleichwohl löst dies nicht das Problem, wenn Nachunternehmer in die Insolvenz rutschen und offene Sozialbeiträge nicht nachzahlen können. Ist es außerdem nicht zu leicht, zu sagen, dass nur der Staat eine Verantwortung trägt? Hat nicht auch ein Auftraggeber eine soziale Verantwortung dafür, welche Bedingungen in den Nachunternehmen bestehen, gerade in einer Branche, in der ein hoher Wettbewerbs- und Preisdruck herrscht?

Dabei sieht das Gesetz selbst eine Möglichkeit für Auftraggeber vor, das Haftungsrisiko deutlich zu reduzieren. Ein Generalunternehmer kann sich entlasten, also seine Haftung ausschließen, wenn er nachweislich unverschuldet davon ausgehen konnte, dass der von ihm beauftragte Nachunternehmer seine Zahlungspflichten erfüllt. Hierfür können etwa Unbedenklichkeitsbescheinigungen über die Krankenkassen oder die Berufsgenossenschaften oder wettbewerbliche Eignungsprüfungen des Nachunternehmers eingeholt werden. Auch das Mindestlohngesetz kennt eine Nachunternehmerhaftung für solche Fälle, in denen bei einem nachgelagerten Unternehmen der Mindestlohn nicht gezahlt wird. Die Haftung ist hier sogar verschuldensunabhängig ausgestaltet. Beim Paketboten-Schutz-Gesetz hat sich der Gesetzgeber im Übrigen selbst ein Schlupfloch offen gehalten: Das Gesetz ist bis Ende 2025 befristet. Vor dem Ablauf dieser Frist soll es evaluiert werden.

  • Daniel Hlava ist wissenschaftlicher Referent für Sozialrecht und Europäisches Arbeitsrecht am Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht der Hans-Böckler-Stiftung. (Foto: Bianka Huber)

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