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Magazin Mitbestimmung

: Brauchen wir eine staatliche europäische Rating-Agentur?

Ausgabe 07+08/2011

Ja, sagt Dorothea Schäfer, Forschungsdirektorin Finanzmärkte am DIW Berlin. Nein, sagt Thorsten Polleit, Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance & Management.

Ja, sagt Dorothea Schäfer, Forschungsdirektorin Finanzmärkte am DIW Berlin.

Nein, sagt Thorsten Polleit, Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance & Management.

Dorothea Schäfer:
„Ja – denn es ist höchste Zeit, eine öffentliche Institution beim Setzen von Kreditstandards wieder ein Wort mitreden zu lassen. Die Stabilität des Finanzsystems hängt davon ab. Das private Oligopol der US-Agenturen Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch hat in der Vergangenheit oft genug Ratings produziert, die vor allen Dingen den eigenen Profitinteressen dienten. Die großen drei haben den verhängnisvollen Boom auf dem US-Subprime-Kreditmarkt genährt. Es ist inakzeptabel, dass diese kommerziellen, börsennotierten Finanzdienstleister nun allein darüber entscheiden, wann Staatsanleihen ausgefallen sind. Denn auch die Europäische Zentralbank orientiert sich an den Bonitätsnoten der Rating-Agenturen. Das DIW Berlin hat die Forderung nach einer öffentlichen Rating-Agentur bereits 2007, nach der Beinahe-Insolvenz der Mittelstandsbank IKB und 2008 im Rahmen der DIW-Agenda für eine neue Finanzmarktarchitektur erhoben. Emittenten von strukturierten Papieren oder Staatsanleihen sollten gezwungen werden, für eines von zwei notwendigen Ratings die öffentliche Agentur vertraglich zu verpflichten. Deren Unabhängigkeit ließe sich durch ein entsprechendes Gesetz sicherstellen. Garantierte Unabhängigkeit ist ein guter Schutz gegen politische Einflussnahme, wie andere Beispiele zeigen.“

Thorsten Polleit: 
„Nein, eine staatliche europäische Rating-Agentur wäre kein Konzept, um die Verlässlichkeit von Kreditanalysen zu verbessern. Sie könnte nicht politisch unabhängig agieren. Daher würden die Marktakteure ihre Kreditanalysen infrage stellen. Grundsätzlich ist die Idee eines erhöhten Wettbewerbs im Markt für Kreditanalysen aber positiv zu bewerten. Dies sollte allerdings durch private Anbieter geschehen. Um den Markteintritt neuer privater Rating-Agenturen zu ermöglichen, müsste der Gesetzgeber die Privilegien abschaffen, die er derzeit einigen wenigen Rating-Agenturen gewährt, indem er ihre Kreditbewertungen als Grundlage für gesetzlich vorgeschriebene Risikobewertungen anerkennt. Würde sich das ändern, könnte ein funktionierender und produktiver Wettbewerb für Kreditbewertungen geschaffen werden. Bei all dem sollte jedoch auch beachtet werden, dass eine sorgsame Kreditprüfung zu den ureigensten Aufgaben eines jeden Investors gehört. Externe Kredit-Ratings sollten einen begleitenden Charakter bei Investitionsentscheidungen haben, sie sollten dem Ergebnis der eigenen Kreditanalyse jedoch nicht unbedingtübergeordnet werden.“

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