Nicht nur Technik, sondern auch neue Methoden verändern die Arbeitswelt von Grund auf. Von Jeannette Goddar
Wenn Mitarbeiter sich selbst organisieren, Besprechungen „Stand-ups“ heißen, ferne Ziele in kurzen „Sprints“ realisiert und aus Kollegen „Product Owner“ werden, dann wird agil gearbeitet. Doch was heißt das eigentlich? Viele Agilitätsansätze sind aus der Arbeitsweise von Start-ups entlehnt. Es geht nicht darum, alle Organigramme zu verbrennen und Bürowände einzureißen, sondern um neue Organisations- und Arbeitsformen, die eine schnellere Reaktion auf Veränderungen erlauben: Bereitschaft zum Experiment, mehr Eigenverantwortung und Zeitsouveränität für die Beschäftigten, flachere oder gar keine Hierarchien, Versuch und Irrtum statt Planung bis ins Detail.
Die IG Metall fordert, agile Arbeit als eigenen Regelungstatbestand in das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) aufzunehmen. Gute agile Arbeit gäbe es nur mitbestimmt, erklärt die Zweite Vorsitzende Christiane Benner, es brauche „klare Strukturen, gute räumliche Arbeitsbedingungen, definierte Freiräume und umfangreiche Qualifikation für die Beschäftigten“. Die Aufnahme agiler Arbeit in das BetrVG soll als Element in die „Initiative Mitbestimmung“ einfließen, die die IG Metall jüngst gestartet hat (siehe Seite 38)
Hier berichten drei Betriebsräte aus ihrer agilen Praxis.
Initiative der IG Metall: Für eine Runderneuerung der Mitbestimmung
Ein Facelift für die Mitbestimmung reicht der IG Metall und dem DGB nicht. Mit der „Initiative Mitbestimmung“ will die IG Metall die Rechte von Beschäftigten in Betriebs- und Aufsichtsräten runderneuern. Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, begründet die Initiative mit dem Einzug digitaler Technik und den Herausforderungen des Klimawandels, die die Produktions- und Arbeitsbedingungen verändern. „Neue Technologien, neue Werkstoffe und eine stärkere Digitalisierung erfordern mehr Qualifizierung bei den Beschäftigten“, sagt Benner. „Betriebsräte müssen hier mitbestimmen können, statt am Ende nur noch über Stellenabbau und Sozialplan zu verhandeln“, sagt Benner.
Die IG Metall fordert daher unter anderem ein generelles Mitbestimmungs- und Initiativrecht bei der betrieblichen Berufsbildung. Außerdem müsse der Gesetzgeber Betriebsräten ein Initiativrecht bei Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsfragen einräumen.
Beim Einsatz künstlicher Intelligenz brauchen Betriebsräte einen Anspruch auf Beratung durch Sachverständige, ohne sich mit dem Arbeitgeber zuvor einigen zu müssen, wie es §80 Absatz 3 BetrVG derzeit vorsieht. „Oft wissen diejenigen, die Algorithmen im Betrieb einsetzen, ja selbst nicht genau, wie sie funktionieren“, sagt Benner.
Das Arbeitsministerium hat eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes entworfen, die einzelne Teile der Forderungen der IG Metall bereits aufgreift, unter anderem mehr Mitbestimmung bei Weiterbildung, mobiler Arbeit und dem Einsatz von KI. Der Gesetzentwurf wurde allerdings auf Drängen der CDU vorerst gestoppt. Christiane Benner sieht in dem Entwurf allenfalls einen ersten Schritt, der zudem nicht noch weiter verwässert werden dürfe. „Von der nächsten Regierung erwarten wir jedoch eine grundlegende Runderneuerung der Mitbestimmung.“
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