Rätselhaftes Fundstück: Arbeiter freuten sich über die erste Impfung
Vor rund 200 Jahren wird in Großbritannien die Pockenimpfung entwickelt und bald auch in Deutschland angewendet. Impfangst kommt auf – ein überwiegend bürgerliches Phänomen. Arbeiter nehmen die Innovation gerne in Anspruch. Von Marc von Lüpke
Es geht wüst zu. Neugierige drängen durch die Tür, während ein rot berockter Arzt einer sitzenden Dame mithilfe einer Lanzette einen Impfstoff verabreicht. Zu ihrer Linken passiert Absonderliches: Den Personen, die bereits geimpft worden sind, wachsen kleine Kühe aus den Körpern, aus Nase, Mund und Arm. Hinten an der Wand hängt im prunkvollen Rahmen das Goldene Kalb. Was der britische Künstler James Gillray hier 1802 karikiert, ist eine medizinische Neuheit: die erste moderne Schutzimpfung. Nur wenige Jahre zuvor, 1796, hat sie der englische Mediziner Edward Jenner, ein wissenschaftlich interessierter Landarzt, erfolgreich im Kampf gegen die Pocken angewendet. Die hoch ansteckende Viruserkrankung ist zu dieser Zeit gefürchtet, sie fordert viele Opfer.
Die Menschen sind ihr schutzlos ausgeliefert. Dabei sind in anderen Kulturen einfache Formen der Impfung seit Jahrtausenden bekannt. Die vorbeugende Ansteckung mit geringen Mengen von Viren wird vor allem in China praktiziert, wo zerriebener Schorf der Pusteln geschnupft wurde. In Indien wird dieses Material in die Haut eingeritzt. Jenner findet einen ähnlichen Weg. Er knüpft an die Beobachtung an, dass Melkerinnen, die die menschlichen Pocken überstanden hatten, nicht mehr an den Kuhpocken erkranken, einer milderen Variante, die ebenfalls auf den Menschen übertragen werden kann. Könnte das auch umgekehrt funktionieren? Jenner entschließt sich zu einem Menschenversuch: Er setzt den Sohn seines Gärtners erst den Kuhpocken, anschließend den menschlichen Pocken aus. Seine Vermutung bestätigt sich. Das Kind erkrankt nicht. Es ist immun.
In Deutschland gelingt Johann Friedrich Küttlinger fast zeitgleich eine Pockenimpfung bei dem Sohn des Schulleiters. Bereits 1807 wird in Bayern als weltweit erstem Land eine Impfpflicht eingeführt – im gesamten Deutschen Reich erst 1874. Während Arbeiter- und Proletarierfamilien die Impfung häufig und gern in Anspruch nehmen, kommt in Teilen des Bürgertums Impfgegnerschaft auf. Rund 100 Jahre später erringt die Medizin dann einen großen Sieg: Die Pocken gelten seit 1980 weltweit als ausgerottet.
Rätselfragen
Welcher deutsche Forscher, der auch als „Retter der Kinder“ bekannt geworden ist, erhielt 1901 den ersten Nobelpreis für Physiologie beziehungsweise Medizin?
In welchem Jahr wurde die Weltgesundheitsorganisation gegründet?
In welchem Krieg wurde 1871 das Deutsche Reich gegründet?
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Auflösung der Rätselfragen 1/2021
1884, Völkerbund, Johann Heinrich Gustav Meyer
