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: 'Nur nicht kopfscheu machen lassen'

Ausgabe 09/2007

INTERVIEW  Recht bleibt Recht und Mitbestimmung bleibt Mitbestimmung, auch wenn ein Finanzinvestor zugreift. Betriebsräte müssen sich optimal vernetzen und rasch handeln.

Mit Alexandra Krieger, Finanz-Expertin der Hans-Böckler-Stiftung, sprach Redakteurin Cornelia Girndt.


Für Belegschaften ist ein Eigentümerwechsel immer mit Existenz- und Zukunftssorgen verbunden - gerade wenn Finanzinvestoren mit bieten. Was bewegt Betriebsräte, die Dich um Rat fragen?
"Wer ist dieser Finanzinvestor, wo ist der schon eingestiegen?", fragen sie. Bei den großen Fonds, wie KKR oder Blackstone, können wir über unsere Datenbank rasch weiter helfen. Oft haben die Belegschaftsvertreter aber selbst nur bruchstückhafte Infos, so dass wir erstmal klären müssen: Was geht denn hier eigentlich vor?

Warum haben die Belegschaftsvertreter bei Verkaufsprozessen kein Recht auf Information?
Rein rechtlich wird ja die Identität des Betriebes nicht berührt, es wird "nur" das Eigentum weitergegeben. Wenn also Aktien von einer Hand in die andere wechseln, ist das weder ein Betriebsübergang nach § 613a BGB noch eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG. Von daher hat der Betriebsrat - streng genommen - kein Recht, den Anteilskaufvertrag einzusehen.

Aber im Aufsichtsrat wird über den Verkauf entschieden.
Mit Finanzkäufen gehen häufig Umfinanzierungen und Verschmelzungsvorgänge einher, und hier kommen Arbeitnehmer-Aufsichtsräte auf uns zu, damit wir uns die Verträge ansehen und mögliche Risiken für das Unternehmen prüfen.
 
Kann das jeder kapieren oder ist das nur etwas für Spezialisten?
Das sind oft englischsprachige Vertragstexte mit vielen Fachbegriffen, und da ist in der Tat eine doppelte Übersetzungsarbeit nötig: Was zum Beispiel PIK-Notes - Payment in kind - sind, mussten auch wir erst herausfinden - ein Finanzierungsinstrument mit aufgeschobener Zinszahlung, ein Scheck auf die Zukunft und daher nicht ungefährlich. Aber man kann sich in diese neue Finanzwelt einarbeiten, kein Arbeitnehmervertreter sollte sich scheuen, das zu tun und auch Rat einzuholen - bei den Experten in den Gewerkschaften und deren Finanzinvestoren-Netzwerken. Oder bei uns.

Was sollten Arbeitnehmervertreter vorrangig angehen, wenn der Finanzinvestor vor der Tür steht?
Das A und O heißt sich optimal vernetzen: Dem Wirtschaftsausschuss muss der Arbeitgeber die Sachlage erläutern, die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat können über den Kauf mit entscheiden, und der Betriebsrat muss auf der operativen Ebene die Restrukturierung nach dem Unternehmenskauf begleiten. Hier kommt dann auch § 111 BetrVG (Betriebsänderung) ins Spiel mit allen daran anknüpfenden Mitbestimmungsrechten.

Wie bei jedem normalen Unternehmenskauf auch?
Ja. Man darf sich auf keinen Fall kopfscheu machen lassen, nur weil ein Finanzinvestor sich einkauft. Hier gelten die gleichen Informations- und Mitbestimmungsrechte wie bei jedem anderen Unternehmenskauf und bei allen sonstigen Restrukturierungsprozessen.

Die zügig in Angriff genommen werden.
Das gehört einfach zum Geschäftsmodell des Finanzinvestors, sonst kann er die Wertsteigerung nicht heben. Neu ist, dass die Prozesse wesentlich schneller ablaufen, der Investor steht ja unter Zeitdruck, er möchte nicht endlos "rumdoktern", er will nur drei bis sieben Jahre drin bleiben, derweil umstrukturieren, Wert heben, rausgehen, der berühmte Exit. Ein Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, der mit Blackstone-Vertretern zu tun hatte, sagte: "Du musst immer auf den Punkt fit sein, eine zweite Chance bekommst du nicht". Das heißt: Sitzung verpasst, Chance verpasst, die verhandeln das Thema nicht noch einmal. Das sind Finanzprofis, denen der Zugang zur Arbeit im Betrieb aber oft fehlt.

Wie intensiv müssen sich Arbeitnehmervertreter mit der Welt der Finanzinvestoren beschäftigen?
Jeder Betriebsrat muss heute sein Unternehmen mit den Augen eines Finanzinvestors betrachten und sich fragen: Ist es realistisch, dass bei uns mal ein Finanzinvestor zugreift? Und: Die Verbindung mit einem Finanzinvestor ist immer eine auf Zeit, so dass die strategisch wichtigste Frage lautet: Wie sieht das Unternehmen aus, wenn der wieder weg ist?

Was macht Unternehmen attraktiv für Finanzinvestoren?
Hohes Vermögen, niedrige Verschuldung - denn dann kann der Investor rekapitalisieren, also Vermögen ausschütten lassen - kein Saisonbetrieb, sondern stabile Cash Flows, Produkte, die ihren Gipfel noch nicht erreicht haben, denn sonst müsste man neu investieren, und das kostet Kapital, das der Investor für sich beansprucht. Daran sieht man: die Interessen eines Finanzinvestors und einer Belegschaft sind eher konträr.

Vorbei also die Zeiten, als der Betrieb ein Stück Heimat war und nicht Handelsobjekt und Geld-Mach-Maschine?
Die Finanzinvestoren haben dieses Modell, ein Unternehmen wie eine Handelsware zu sehen, hoffähig gemacht. Der Handel mit Unternehmen und Beteiligungen ist ihr Geschäftszweck. Klar, auch Konzerne kaufen und verkaufen Töchter, aber der Zweck ist dort, sich im Wettbewerb zu positionieren, etwa indem sie Konkurrenten kaufen.

Das bringt doch einiges an kulturellen Konflikten?
Dieser Kulturbruch ist das eigentliche Problem, das Beschäftigte mit den neuen Investoren haben. Die Beschäftigen denken in moralischen, in normativen Kategorien, der Investor denkt in Finanzkennzahlen. Aber leider werden diese Investoren mit ihrem vielen Geld nicht einfach wieder verschwinden, das müssen wir ausfechten.

Sind die Finanzakrobaten einfach cleverer?
Sie sind spezialisierter und haben internationale Expertise. Sie holen sich oft Industrial Adviser, also Fachleute mit Managementerfahrung in der jeweiligen Branche. Das ist ein echter Mehrwert, und dadurch sind Finanzinvestoren teilweise auch besser als der durchschnittliche Allround-Manager in einem Mittelstandsbetrieb. Ein Märchen ist allerdings, dass sie stille Reserven heben, die vorher noch keinem aufgefallen sind. Die fallen in jeder ordentlichen Unternehmensbewertung auf und müssen im Kaufpreis mitbezahlt werden. Mehrwert kann der Investor nur durch geschickte Restrukturierung und straffe, effizienzorientierte Unternehmensführung heben.

Die Fonds-Branche hat in Deutschland auch von günstigen Rahmenbedingungen profitiert, die locken ja geradezu.
Die Fonds genießen Steuerprivilegien, leben davon, dass Konzerne Randbereiche abspalten, profitieren von den niedrigen Zinsen. Und davon, dass viel Geld in die private Rentenvorsorge geht. All das spielt diesen Fonds einfach in die Hände.

Wenn nun die Steuerprivilegien abgeschafft werden, dafür steht das Jarass-Gutachten der Böckler-Stiftung, was heißt das für die Belegschaften?
Die Beteiligungsbranche wird versuchen, den Druck an die Belegschaften weiterzugeben. Aber es kann nicht angehen, dass ein solcher Fonds, der in Deutschland die Infrastruktur nutzt, - Straßen, Rechtsordnung, geordnete Arbeitsbeziehungen - sich steuerlich komplett rauszieht. Warum sollen den andere subventionieren?

Wie kommt die Mitbestimmung bei Investoren an?
Ihr Verhältnis zur Mitbestimmung ist ein rein funktionales. Alles, was dazu dient, das Ergebnis zu verbessern, das machen sie mit.

Umgekehrt ist ihr Image bei den Belegschaften und in der Öffentlichkeit kein gutes.
Die Private-Equity-Szene weiß: Es darf auf keinen Fall einen zweiten "Sündenfall Grohe" geben. Der hängt wie ein Menetekel über der ganzen Branche. Auf den Kongressen der Beteiligungsbranche halten sie sich das auch vor, weil es natürlich einigen die Geschäfte verhagelt hat.

Wir haben gute Unternehmen und qualifizierte Arbeitnehmer/-innen, das können wir doch bei den Verhandlungen selbstbewusst in die Waagschale werfen?
Auf jeden Fall. Erstens haben Finanzinvestoren einen enormen Anlagedruck, sie haben viel Kapital gesammelt und müssen kaufen. Zweitens: sie haben ein hohes Interesse an geräuschloser Abwicklung, wenig Medienrummel, bloß keinen zweiten Fall Grohe.

Steht mit der US-Immobilienkrise und der Zurückhaltung der Banken und mit eventuell steigenden Zinsen auch das Geschäftsmodell zur Debatte?
Die Branche wird unruhig, das merkt man daran, dass die großen Fonds, Blackstone, KKR und Carlyle und die Europa-Tochter von Lehmann Brothers jetzt an die Börse gehen. Damit schaffen sie ihr Geld hinter die Brandmauer. Die Private-Equity-Firmengründer wollen sich unabhängiger machen vom Kreditmarkt und von anderen Finanzinvestoren, mit denen sie Club Deals machen, daher holen sie sich das Geld jetzt vom Kapitalmarkt. Das ist eine gute Ausgangslage für Arbeitnehmervertretungen, der Wind dreht sich zu unseren Gunsten.

Warum?
Die Börsengänge sind ein Zeichen, dass die Branche eine gewisse Reife erreicht hat. Sie unterwerfen sich mit dem Börsengang Transparenz- und Publizitätspflichten, das ist die bittere Pille, die sie schlucken müssen, um ihre Anteile zu Geld zu machen. Das täten sie nicht ohne Not. Und das führt in den traditionellen Kapitalismus.

Wie kann das Machtgefälle zwischen Kapital und Arbeit wieder in eine Balance gebracht werden?
Der Gesetzgeber sollte die vorhandenen Mitbestimmungsrechte beim Betriebsübergang erweitern in die Vorphase eines Unternehmenskaufes. Gewerkschaften und Betriebsräte sollten das Recht erhalten, bei der Auswahl potentieller Eigentümer in Bieterwettbewerben mit zu entscheiden. Es kann nicht sein, dass Beschäftigte behandelt werden wie jeder beliebige Vertragspartner des Unternehmens - was die Investoren aber so sehen.

Finanzinvestoren behaupten auch, dass sie keine Arbeitgeber sind.
Das ist rechtlich in Ordnung, aber faktisch nicht. Weil sie über die Manager, die sie selbst einsetzen oder über finanzielle Anreize an ihre Ziele binden, Arbeitsbedingungen und Produktionsprozesse verändern - das alles beeinflusst die betriebliche Realität erheblich. Aber rein rechtlich sind und bleiben sie Anteilseigner.

Müssen wir uns wirklich mit dieser Finanzmarkt-Logik, die wir im Grunde ablehnen, auseinandersetzen?
Wir haben es gar nicht nötig, in Schreckstarre zu verfallen. Ein prominenter Kapitalvertreter sagte kürzlich auf einer Podiumsdiskussion zu mir: "Halten Sie bloß die Finger raus aus dem Finanzgeschäft." Er wollte sagen: Kümmern Sie sich als Gewerkschaften doch bitteschön um die sozialen Belange, aber bloß nicht um Verschuldungsquoten und Cashflow. Da sage ich: Im Gegenteil - da müssen wir rein, und wir haben gerade erst angefangen, uns einzumischen!


ZUR PERSON
Alexandra Krieger, 37, hat Bankkauffrau gelernt, war Fachredakteurin für Finanzdienstleistungen und hat neben ihrer Berufstätigkeit Betriebswirtschaftslehre studiert. Sieben Jahre als Revisorin, Jahresabschlussanalystin und Kreditreferentin bei einer Hypothekenbank tätig, kam sie 2004 zur Hans-Böckler-Stiftung, wo sie ein Wirtschaftsreferat leitet und Arbeitnehmervertreter in Aufsichts- und Betriebsräten berät. Zu ihren Themenschwerpunkten gehören Finanzinvestoren.

Weitere Informationen:

Veröffentlichungsreihe Finanzinvestoren (Gutachten, Fallbeispiele, Studien)  

Die Wissensdatenbank
der Mitbestimmungsförderung verfügt über Infos von rund 185 Unternehmen und Finanz-Investoren aus der Branche der "Private Equity and Hedge Fonds".

Kontakt:

Alexandra-Krieger@boeckler.de    
Lothar-Kamp@boeckler.de   

Publikationen:

Lothar Kamp/Alexandra Krieger: Die Aktivitäten von Finanzinvestoren in Deutschland. HBS-Arbeitspapier Nr. 103, August 2005, (Bestell-Nr. 11103)
Christian Böttger: Strukturen und Strategien von Finanzinvestoren. HBS-Arbeitspapier Nr. 120, März 2006 (Bestell-Nr. 11120)
Oliver Faber: Finanzinvestoren in Deutschland - Portraits und Investitionsbeispiele, HBS-Arbeitspapier Nr. 123, April 2006 (Bestell-Nr. 11123)
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