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Magazin Mitbestimmung

: 'Man wollte von uns alles'

Ausgabe 04/2005

Gerd Amann, Betriebs- und Aufsichtsrat bei dem Automobilzulieferer Peguform, verhandelte die Bedingungen und den Preis mit, zu denen die Arbeitnehmer an den neuen Investor übergingen.

Gerhard Amann, Betriebsrat und Gewerkschaft haben die Bedingungen und den Preis mit ausgehandelt, zu denen die Arbeitnehmer von Peguform an den neuen Investor übergehen. Was verlangt der US-Fonds Cerberus?
Der Investor verlangt eine Personalkostenreduzierung von 40 Millionen bei zirka 260 Millionen Personalkosten insgesamt im Jahr. Dies wurde im Übrigen von allen Kaufinteressenten verlangt, die am Schluss noch mit dabei waren.

Ihr habt einen Sanierungstarifvertrag mit Cerberus abgeschlossen. Was steht drin?
In der Regel eine Verlängerung der Arbeitszeit bis zur 39-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich und Einkommensreduzierungen um vier Prozent; zusätzlich eine Reduzierung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes. Damit liegt die Belastung bei zehn Prozent pro Arbeitnehmer einschließlich der außertariflichen und der leitenden Angestellten. Der Vertrag hat eine Laufzeit von fünf Jahren. Tariferhöhungen werden nur zur Hälfte vorgenommen. Betriebsbedingte Kündigungen sind nur mit Zustimmung des Betriebsrates möglich. Bei Kapazitätsrückgängen, bedingt durch unsere Kunden, die Automobilindustrie, sind gemäß einer Öffnungsklausel Personalanpassungen möglich.

Wie war das Verhandlungsklima mit dem US-Investor?
Man wollte von der Arbeitnehmerseite alle nur denkbaren Zugeständnisse - Zeit, Geld, Flexibilität, Personalabbau -, gleichzeitig wollte der Investor keine verbindlichen Zusagen gegenüber den Arbeitnehmern machen.

War eine Verhandlungstaktik erkennbar? Wer waren die Verhandlungspartner?
Man wollte die Arbeitnehmer schon über den Tisch ziehen. Anfangs wurden die Verhandlungen nur von Unternehmensberatern - als Vertreter von Cerberus - geführt. Dazu kamen einige Wirtschafts- und Arbeitsrechtler plus die Geschäftsleitung und die Insolvenzverwaltung. Auf der Gegenseite saßen uns zeitweise also 15 Personen gegenüber, während wir nur zu fünft waren: die Betriebsratskollegen Hans Angst, Willi Beckers und Gerhard Amann und Peter Hausmann und Klaus Brauer von der IG BCE. Auf jeden Fall hatten wir uns besser abgestimmt als die Gegenseite.

Als Kaufinteressent ist am Schluss noch ein ernsthafter Konkurrent aufgetaucht. Was gab trotzdem den Ausschlag für Cerberus?
Auch mit Magna, einem global agierenden Automobilzulieferer mit 80000 Beschäftigten, haben wir verhandelt. Innerhalb nur eines Tages hatten wir einen von Magna unterzeichneten Vertrag vorliegen, der aber dieselben Forderungen und Bedingungen beinhaltete wie der Vertrag mit Cerberus. Cerberus bekam den Zuschlag, weil hier der Kaufpreis eindeutig besser war. 

Worauf müssen Arbeitnehmervertreter achten, wenn die Private-Equity-Fonds vor der Tür stehen?
Durch das Insolvenzverfahren und den dadurch bedingten Zeitdruck waren für uns die gesamten Verhandlungen erschwert, weil die Gegenseite auf Zeit spielte. Entscheidend ist: Die Betriebsräte der Standorte müssen zusammenarbeiten und ein Expertenteam bilden, das das Vertrauen der Arbeitnehmer genießt und eine gute Öffentlichkeitsarbeit aufbaut. Die Pressearbeit kostet zwar Zeit und Energie, sie hat sich aber bisher gelohnt.

Schaut ihr optimistisch oder mit gemischten Gefühlen in die Zukunft?
Mit gemischten Gefühlen. Wir Arbeitnehmervertreter müssen nun einen neuen Gesellschafter von den Vorteilen der Mitbestimmung überzeugen. Ohne Mitbestimmung, Betriebsräte und Gewerkschaft wäre der Fall Peguform sicher anders ausgegangen. Das war dem Insolvenzverwalter klar, und dementsprechend war mit ihm die Zusammenarbeit in der Sache hart, aber von gegenseitiger Akzeptanz geprägt. Nun beginnen neue Zeiten.

Gerhard Amann ist GBR-Vorsitzender der Peguform GmbH & Co. KG, und Vize-Aufsichtsratsvorsitzender der Obergesellschaft Venture Germany GmbH. Bundesweit sind 5500 Mitarbeiter in sieben Standorten beschäftigt. Hauptstandort ist Bötzingen in Südbaden.

Der Fall Peguform
In den Jahren 2001/02 hatte Peguform bereits einen transatlantischen Wirtschaftskrimi erlebt und überlebt. Geschäftsführung, Belegschaft und Gewerkschaft IG BCE ließen die Firma insolvent gehen, als Befreiungsschlag von der Konzernmutter, der US-amerikanischen Venture Industries. Die hatte Peguform systematisch ausbluten lassen, indem man liquide Mittel in Millionenhöhe abzog, um in den USA Löcher zu stopfen. Seitdem wurde Peguform von einem Insolvenzverwalter mit Beteiligung der Betriebsräte gemanagt.

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