zurück
Platzhalter Detailseite Magazin Mitbestimmung

: 'Ich kann nur empfehlen zu kämpfen'

Ausgabe 09/2007

HEDGE-FONDS Der Betriebsrat von CeWe Color kämpfte für die Zukunft des Unternehmens und der Arbeitsplätze. Wie gelang es, die Attacke der Hedge-Fonds abzuwehren?

Mit Thekla von Holdt, Betriebsratsvorsitzende der CeWe Color AG in Oldenburg, sprach Annette Jensen.

Thekla von Holdt, wie haben Sie erfahren, dass sich Hedge-Fonds in Ihr Unternehmen eingekauft hatten?
Dass mehrere amerikanische und ein französischer Hedge-Fonds bei CeWe Color eingestiegen waren, haben wir vor etwa eineinhalb Jahren erfahren. Damals wurde das erst einmal positiv aufgenommen. Es hieß: Wir haben jetzt nicht nur europaweit Interesse geweckt, sondern weltweit.

Ende vergangenen Jahres stellten die Hedge-Fonds dann ihre Forderungen gegenüber Vorstand und Aufsichtsratsmitgliedern. Sie verlangten eine Sonderdividende von fünf Euro pro Aktie. Als das abgelehnt wurde, kündigten sie an, auf der nächsten Hauptversammlung neue Aufsichtsratsmitglieder benennen zu lassen, die dann einen neuen Vorstand einsetzen würden. Ende Januar 2007 hat unser Vorstand das dann öffentlich gemacht.

Was haben Sie als Betriebsräte unternommen?
Wir haben erst einmal Informationen gesammelt, was überhaupt Hedge-Fonds sind und was ihre Forderungen für die einzelnen Betriebsstätten und die Beschäftigten bedeuten. Die Sonderdividende hätte kreditfinanziert werden müssen, und es wäre so viel Kapital aus dem Unternehmen herausgezogen worden, dass nicht mehr genügend Mittel für Investitionen da gewesen wären, um den Technologiewandel erfolgreich zu bestehen.

Unser Vorsprung am Markt wäre verloren gegangen, so dass viele Arbeitsplätze und sogar ganze Betriebsstätten gefährdet gewesen wären. Auf lange Sicht wäre CeWe Color vielleicht sogar ganz vom Markt verschwunden. Deshalb sind wir ziemlich schnell zu dem Beschluss gekommen: Wir unterstützen den Vorstand gegen die Hedge-Fonds hundertprozentig.

Bis zur Hauptversammlung waren noch drei bis vier Monate Zeit. Wie sahen die für Sie aus?
Sehr anstrengend. Jeden Tag gab es Anfragen von Journalisten, viele Kollegen kamen ins Betriebsratsbüro und wollten wissen, wie es weitergeht. Sie hatten große Angst um ihren Arbeitsplatz. Eine unserer Hauptaufgaben lag darin, ihnen eine gewisse Sicherheit zu vermitteln. Schließlich musste ja auch die tägliche Arbeit weiter laufen.

Wie ging es Ihnen damit?
Zu Beginn war ich schon sehr unsicher, weil ich die ganze Situation noch nicht durchschaut habe. Je mehr ich mich in das Thema hineingearbeitet habe, desto zuversichtlicher wurde ich - auch wenn zwischenzeitlich immer wieder Zweifel hochkamen.

Wie haben Sie es hinbekommen, die Belegschaft zu beruhigen?
Es braucht bestimmt auch ein bisschen schauspielerisches Talent, anderen Optimismus zu vermitteln, wenn man sich selbst große Sorgen um das Unternehmen macht. Aber wir erhielten ja auch viel Unterstützung, etwa bei unserer Aufkleber-Aktion mit den durchgestrichenen Heuschrecken. Bekannte, Nachbarn und andere Unternehmen aus der Region haben die gleichen Anti-Heuschrecken-Aufkleber produziert - die klebten dann überall in Oldenburg an Häusern und Autos.

Wir bekamen viel Post von Mitarbeitervertretungen anderer Unternehmen, insbesondere der VW-Konzernbetriebsrat hat uns moralisch unterstützt. Auch Politiker von SPD und CDU aus der Region und dem Land Niedersachsen besuchten uns. Durch all das wurde die Lage von CeWe Color immer bekannter, und es war gut zu spüren, dass sich viele Menschen dafür interessieren, was bei uns los war.

Aber letztendlich mussten Sie die Aktionäre überzeugen.
Die Hedge-Fonds wollten ja die Sonderausschüttung, und bestimmt gab es auch einige Kleinaktionäre, die erst einmal gedacht haben: Fünf Euro Dividende - das klingt doch gut. Deshalb war es sehr wichtig zu vermitteln, dass das nur ein kurzfristiger Vorteil sein würde und dem Unternehmen der Kapitalentzug auf längere Sicht extrem geschadet hätte. Das haben wir Betriebsräte am 30. März auf einer sehr medienwirksamen öffentlichen Betriebsversammlung deutlich gemacht.

Hatten Sie Berater?
Wir als Betriebsräte hatten keine Berater - aber der Vorstand ließ sich beraten. Durch ihn haben wir eine Menge mitbekommen und uns dann immer mit den Betriebsräten an den anderen CeWe-Color-Standorten beraten.

Mussten Sie es rechtfertigen, so eng mit dem Management zusammenzuarbeiten?
Nein. Unser Interesse war es, die Arbeitsplätze zu sichern - und das gleiche Interesse hatte der Vorstand auch. Das operative Geschäft lief natürlich nebenher weiter, und da gibt es ja immer das übliche Spannungsfeld zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Was dachten Sie am Abend vor der Hauptversammlung?
Ich war optimistisch. Die Presse sprach größtenteils für uns, und die Aktionäre, die sich zu dem Angebot der Hedge-Fonds geäußert hatten, waren überwiegend auf unserer Seite. CeWe Color ist ein Traditionsunternehmen in Oldenburg, viele Kleinaktionäre kommen aus der Region.

Die Erbengemeinschaft des Firmengründers, aber auch die Nord LB, die beide hier ansässig sind, haben uns immer den Rücken gestärkt. In der Stadt sprachen mich oft Leute an und machten mir Mut. Aber natürlich dachte ich auch: Hoffentlich gelingt es den Hedge-Fonds nicht, die Hauptversammlung durch formale Spitzfindigkeiten zu sprengen.

Wie lief der Countdown?
Zur Hauptversammlung kamen 1300 Leute - Aktionäre, Gäste und Pressevertreter. Der Sprecher der Hedge-Fonds bombardierte den Vorstand mit mehr als hundert Fragen - im Publikum herrschte gespanntes Schweigen, ab und zu von ironischen Zwischenrufen unterbrochen. Als der Vorstand dann die Fragen beantwortete, klatschten hunderte von Aktionären.

So gesehen war die Stimmung auf der Hauptversammlung ganz eindeutig - bloß wussten wir zu dem Zeitpunkt ja noch nicht, wie viele Aktien hinter jedem einzelnen Redner stecken. Gegen 22 Uhr wurden dann endlich die Stimmergebnisse verkündet, wo es um die Entlastung des Vorstands, die Satzungsänderung und die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder ging. Da war es dann klar, dass wir gewonnen haben, und es gab Standing Ovations für den Vorstand.

Haben Sie die Hedge-Fonds-Manager auf der Hauptversammlung zum ersten Mal erlebt?
Ja. Ich war schon neugierig, was das für Menschen sind. Ich habe sie als arrogant und überheblich erlebt. Da wird nicht gegrüßt und man versucht am besten noch, Leute einfach zur Seite zu drängen nach dem Motto: Für uns muss der Weg frei gemacht werden. Als am Abend dann klar war, dass sie verloren hatten, rauschten sie ab.

Ist die Gefahr für CeWe Color jetzt vorbei?
Ganz vorbei wird sie nie sein. Wir sind eine Aktiengesellschaft, deren Aktien auf dem freien Markt gehandelt werden. Die Hedge-Fonds halten nach wie vor etwa 35 Prozent, und nach ihrer Niederlage auf der Hauptversammlung haben sie Klagen eingereicht - die aus meiner Sicht unbegründet sind. Allerdings haben wir die Erbengemeinschaft des Firmengründers mit rund 27 Prozent auf unserer Seite sowie mehrere Aktionäre, die zwischen drei und fünf Prozent halten.

Könnten die Hedge-Fonds nicht versuchen, auf dem freien Markt ihren Anteil zu vergrößern, ohne dass es jemand mitbekommt?
Auch wenn sie 40 Prozent halten, würde uns das in den kommenden Jahren nicht gefährlich werden können. Die nächste Hauptversammlung, auf der die Aufsichtsräte neu gewählt werden, findet ja erst in fünf Jahren statt. In der Zwischenzeit sind für eine Abwahl mindestens 75 Prozent Stimmenanteile nötig - und die können sie nie erreichen. Insofern können sie auf das operative Geschäft erst einmal keinen Einfluss nehmen.

Der auch bei CeWe-Color beteilige Hedge-Fonds-Manager Guy Wyser-Pratte hat angekündigt, in diesem Jahr eine Milliarde Dollar für Einkäufe in Deutschland sammeln zu wollen - bisher verfügte er über 400 Millionen. Was raten Sie Betriebsratskollegen, die in eine ähnliche Situation kommen wie Sie?
Ich kann nur empfehlen, zu kämpfen, Zusammenhalt zu zeigen und die Öffentlichkeit zu informieren. Andere Unternehmen sind ja durchaus schon - unbeachtet von der Öffentlichkeit - von Hedge-Fonds gefressen worden, weil die Vorstände sich auf einen Handel mit ihnen eingelassen hatten, um ihre eigenen Posten zu retten.

Man darf auf keinen Fall Zugeständnisse machen. Bei uns hatten sie fünf Euro Dividende gefordert. Wenn wir uns beispielsweise auf zwei Euro eingelassen hätten, wäre das sicher nur der Anfang gewesen. Kompromisse sind aus meiner Sicht absolut unangebracht, weil die Hedge-Fonds nicht mit fairen Mitteln kämpfen.

Können Sie das konkretisieren?
Da werden Argumente in den Raum gestellt, die von vorne bis hinten nicht der Wahrheit entsprechen. Im Fall von CeWe Color haben die Hedge-Fonds behauptet, dass wir den Technologiewandel verschlafen hätten. Tatsächlich aber sind wir europaweit Technologieführer und in mehreren Fachzeitungen als Testsieger für unsere Produkte ausgezeichnet worden.

Die Hedge-Fonds-Vertreter haben unsere einzelnen Produktionsstätten nie gesehen und sich auf der Hauptversammlung erstmals unsere neuen Produkte angeschaut. Sie kennen unser Unternehmen überhaupt nicht. Sie haben auch behauptet, sich für die Interessen der Arbeitnehmer einsetzen zu wollen, doch haben sie niemals Kontakt zu uns gesucht.

 

Zur Person
Thekla von Holdt, 28, ist Betriebsratsvorsitzende der CeWe Color AG & Co am Standort Oldenburg, wo 600 von insgesamt 3300 Beschäftigten arbeiten. Das Unternehmen verarbeitet Fotoaufträge und ist Europas Fotodienstleister Nummer eins. Thekla von Holdt hat Fotolaborantin bei CeWe Color gelernt, angeregt durch die Rede eines  IG-BCE-Sekretärs auf einer Betriebsversammlung wird sie Gewerkschaftsmitglied und 2002 zur Betriebsrätin gewählt. Als 2006 der Betriebsratsvorsitzende aus Altersgründen ausschied, kandidierte die junge Betriebsrätin - und wurde Vorsitzende.