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Der Mitbestimmungsindex Böckler Impuls

Index: Was der Mitbestimmungsindex misst

Ausgabe 07/2020

Was die Mitbestimmung im Aufsichtsrat bewirkt, untersuchen Wissenschaftler mit dem Mitbestimmungsindex MB-ix.

Wie wirkt sich die Mitbestimmung im Aufsichtsrat auf Arbeitsbedingungen, Investitionen oder Umweltschutz aus? Um diese Fragen zu beantworten, haben Sigurt Vitols und Robert Scholz vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) gemeinsam mit der Hans-Böckler-Stiftung den Mitbestimmungsindex MB-ix entwickelt, der auf einer Skala von 0 bis 100 erfasst, wie stark die Mitbestimmung in Unternehmen verankert ist. Berücksichtigt werden Faktoren wie der Anteil der Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter im Aufsichtsrat, die Besetzung von Ausschüssen, die Existenz von Euro- oder SE-Betriebsräten oder die Rechtsform von Unternehmen. Der MB-ix ermöglicht es, zwischen Unternehmen mit mehr und solchen mit weniger Mitbestimmung zu unterscheiden – und so Effekte der Arbeitnehmerbeteiligung unabhängig von der Betriebsgröße statistisch dingfest zu machen. Entsprechende Analysen haben Vitols und Scholz – zum Teil gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern – in mehreren Studien durchgeführt, die vorwiegend auf Daten der in Dax, MDax, SDax und TecDax gelisteten Unternehmen basieren. Die Ergebnisse:

  • Mitbestimmte Unternehmen investieren mehr in die Zukunft: Sie wenden mehr Mittel für die Beschaffung langlebiger Güter auf als Konzerne, in deren Aufsichtsrat nur die Anteilseigner vertreten sind, d.h. die sogenannte Kapitalinvestitionsquote ist höher.
  • Unternehmen mit starker Mitbestimmung sind rentabler und verfolgen häufiger eine Qualitäts- und Innovationsstrategie als eine Kostenführerstrategie. Ihre Gesamtkapitalrentabilität ist im Durchschnitt rund 65 Prozent höher als bei Unternehmen mit schwacher oder ganz ohne Mitbestimmung. Der operative Gewinn fällt im Schnitt knapp 11 Prozent höher aus, der Cashflow pro Aktie sogar mehr als dreimal so hoch wie in Firmen mit wenig Mitbestimmung.
  • Nachhaltige Unternehmensführung ist eher in Firmen anzutreffen, in denen Arbeitnehmer im Aufsichtsrat mitbestimmen. Unternehmen, die alle Möglichkeiten der Arbeitnehmerbeteiligung ausschöpfen, integrieren Nachhaltigkeitsstrategien mit fast doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit in die Leitlinien der Unternehmensführung wie Firmen ohne Mitbestimmung.
  • Mitbestimmung im Aufsichtsrat erhöht die Chance, dass sich Unternehmen glaubhaft zur Einhaltung sozialer oder ökologischer Ziele – also zu Corporate Social Responsibility (CSR) – verpflichten. Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der Stärke der Mitbestimmung und substanzieller CSR-Politik. Auf bloß symbolische CSR-Praktiken wirkt sich Mitbestimmung dagegen nicht signifikant aus.
  • In mitbestimmten Unternehmen hat die Personalpolitik einen höheren Stellenwert. Einen Extra-Vorstandsposten für Personalangelegenheiten haben die großen mitbestimmten Unternehmen so gut wie immer, Unternehmen ohne Mitbestimmung dagegen eher selten. 
  • Darüber hinaus sitzen häufiger Frauen im Vorstand – obwohl der Frauenanteil in den Belegschaften unterdurchschnittlich ist. Im Übrigen sind auch im Aufsichtsrat auf Seiten der Arbeitnehmervertretungen immer mehr Frauen als auf Seiten der Anteilseignervertretungen. 
  • Außerdem bilden Unternehmen mehr aus, wenn Beschäftigte im Aufsichtsrat mitreden. Firmen ohne Mitbestimmung haben einen geringeren Anteil dual Auszubildender an den Beschäftigten als mitbestimmte. Zugleich beschäftigen stärker mitbestimmte Unternehmen aber auch mehr Ältere.

Robert Scholz: Der Mitbestimmungsindex – MB-ix, in: Mitbestimmung der Zukunft, Mitbestimmungsreport der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 58, April 2020

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