zurück
HBS Böckler Impuls

Mitarbeiterkapitalbeteiligung: Von Aktien bis Darlehen - ein Überblick

Ausgabe 08/2006

Zwei Millionen Beschäftigte in Deutschland sind an dem Unternehmen beteiligt, in dem sie arbeiten - mit rund zwölf Milliarden Euro, so die Beratungsgesellschaft GIZ. Eine Zusammenstellung der Hans-Böckler-Stiftung macht deutlich: Die Beteiligungsformen unterscheiden sich erheblich, was Einkommenschancen, Vermögensrisiken und Mitspracherechte betrifft.

Das Spektrum der Beteiligungsformen reicht von Belegschaftsaktien bis zu Arbeitnehmerdarlehen. Belegschaftsaktien sind am häufigsten: 1,4 Millionen Arbeitnehmer in 610 Unternehmen besitzen nach Angaben der Gesellschaft für innerbetriebliche Zusammenarbeit (GIZ) Anteilsscheine ihres Arbeitgebers. Anderswo ist die Kapitalbeteiligung von Arbeitnehmern weiter verbreitet: Laut ifo Institut beteiligten etwa 30 Prozent der Betriebe mit über 200 Mitarbeitern in Großbritannien 1999/2000 mindestens die Hälfte der Belegschaft am Aktienkapital, in Deutschland waren es nur 10 Prozent. Frankreich und Holland kamen auf 20 beziehungsweise 22 Prozent.

2001 waren nach einer Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 7 Prozent aller Beschäftigten im Westen am Betriebskapital beteiligt, im Osten 3,3 Prozent.

Arbeitgeber versprechen sich eine stärkere Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen, höhere Arbeitszufriedenheit, kurz: eine besser motivierte Belegschaft. Kündigungen und Krankmeldungen werden weniger, so die Hoffnung. Vor allem hoch qualifizierte Mitarbeiter sollen per Kapitalbeteiligung
an ihr Unternehmen gebunden werden.

Aus Mitarbeitersicht kann der eigene Anteil an der Firma eine stärkere Gewinnbeteiligung und - je nach Beteiligungsmodell - die Chance auf Kursgewinne und mehr Mitspracherechte bedeuten.  Dem steht ein erhöhtes Einkommens- und Vermögensrisiko gegenüber: Kommt die Firma ins Trudeln, ist nicht nur der Job, sondern auch noch das investierte Geld in Gefahr. Kritiker sprechen vom "doppelten Risiko".

Die wichtigsten Modelle im Einzelnen:

=> Mitarbeiter als Eigenkapitalgeber

Am Eigenkapital beteiligte Mitarbeiter sind im juristischen Sinn echte Mitunternehmer. Sie haben keinen Sonderstatus gegenüber anderen Gesellschaftern.

Belegschaftsaktien sind die am weitesten verbreitete Form der Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Fast drei Viertel aller kapitalbeteiligten Arbeitnehmer sind bei den Aktiengesellschaften zu finden. Zwei Drittel der im DAX gelisteten Unternehmen bieten entsprechende Programme an. Sie ermöglichen eine breite Mitarbeiterbeteiligung ohne großen Aufwand.
Konzept: Die Beschäftigten können in der Regel eine bestimmte Aktienzahl zum Vorzugspreis erwerben. Sie haben Anspruch auf Dividendenzahlung und können von Kurssteigerungen profitieren. Aktien können nicht zurückgegeben, sondern nur verkauft werden, so dass das Kapital dem Unternehmen dauerhaft zur Verfügung steht.
Vermögensrisiko: Das eingesetzte Kapital ist nicht gegen Kursverluste geschützt. Ein Totalverlust ist möglich.
Gesellschaftsrechte: Arbeitnehmer haben als Aktionäre Stimmrecht in der Hauptversammlung und damit die gleichen Rechte wie alle übrigen Anteilseigner.
Ausstiegsmöglichkeiten: Bei börsennotierten AGs ist ein Verkauf zum Börsenkurs grundsätzlich jederzeit möglich. Eventuell müssen allerdings bestimmte Haltefristen eingehalten werden. Ist das Unternehmen an keiner Börse gelistet, ist ein Verkauf prinzipiell ebenfalls möglich. Allerdings gestalten sich die Suche nach einem Käufer und die Bestimmung des Verkaufspreises schwieriger.

GmbH-Gesellschafter sind nur wenige abhängig Beschäftigte in Deutschland: Diese Form der Mitarbeiterkapitalbeteiligung ist wegen des hohen organisatorischen Aufwands am wenigsten verbreitet. Sie ist am ehesten für kleinere Unternehmen mit geringer Personalfluktuation geeignet.
Konzept: Arbeitnehmer beteiligen sich am Stammkapital der GmbH und werden damit Gesellschafter. Sie sind am Wertzuwachs und Gewinn der GmbH beteiligt.
Vermögensrisiko: Das eingebrachte Kapital haftet vollständig für Verluste der Gesellschaft.
Gesellschaftsrechte: Arbeitnehmer sind in der Gesellschafterversammlung stimmberechtigt, können Einsicht in die Bücher verlangen und besitzen Anfechtungsrechte.
Ausstiegsmöglichkeiten: Da kein Kurswert für GmbH-Anteile existiert, ist eine Veräußerung schwierig. Zudem müssen Änderungen der Geschäftsanteile notariell beurkundet und dem Handelsregister gemeldet werden.

=> Mischkapitalmodelle

Mischformen können die Eigenkapitalbasis stärken, ohne dass beteiligten Mitarbeitern grundsätzliche Mitspracherechte eingeräumt werden. Das Vermögensrisiko kann gegenüber einer echten Eigenkapitalbeteiligung begrenzt werden.

Stille Beteiligungen stellen steuerlich und juristisch immer Fremdkapital dar, können betriebswirtschaftlich aber Eigenkapitalcharakter haben, wenn die Stillen Gesellschafter am Verlust beteiligt sind und nachrangig haften.
Konzept: Arbeitnehmer werden zu Gesellschaftern des Unternehmens, ohne nach außen in Erscheinung zu treten. Eine Gewinnbeteiligung erfolgt durch Verzinsung der Einlagen, die sich variabel am Unternehmenserfolg orientiert.
Vermögensrisiko: Verluste der Gesellschaft können - je nach konkreter Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags - auch zu Lasten der Stillen Teilhaber gehen. Im Insolvenzfall bis zur Höhe der Kapitaleinlage.
Gesellschaftsrechte: Grundsätzlich haben die so beteiligten Mitarbeiter keinen Einfluss auf Entscheidungen der Geschäftsführung. Mitspracherechte haben sie lediglich bei weit reichenden Grundsatzentscheidungen wie Änderungen der Rechtsform oder Veräußerung des Unternehmens. Sie können außerdem die Vorlage der Bilanz verlangen.
Ausstiegsmöglichkeiten: Der Anteil am Gesellschaftskapital wird bei Ausscheiden eines Gesellschafters zurückgezahlt. Allerdings sind lange Mindestlaufzeiten üblich.

Indirekte Beteiligungen sind eine spezielle Form der Stillen Beteiligung, bei der eine Beteiligungsgesellschaft zwischengeschaltet wird. Aus Unternehmenssicht reduziert sich damit die Zahl der vertraglichen Beziehungen: In Form der Beteiligungsgesellschaft treten die am Grundkapital beteiligten Arbeitnehmer wie ein Gesellschafter auf. Das vereinfacht Verwaltung und Buchhaltung. Es besteht eine konsequente Trennung zwischen Arbeitnehmer- und Gesellschafterstellung. Ansonsten gilt das Gleiche wie für die Stille Beteiligung.

Genussrechte können Eigenkapitalcharakter annehmen, wenn eine variable Verzinsung und Verlustbeteiligung vereinbart werden.
Konzept: Arbeitnehmer überlassen dem Unternehmen Kapital und erhalten als "Genuss" eine jährliche Gewinnbeteiligung.
Vermögensrisiko: Inhaber von Genussrechten müssen unter Umständen Werteinbußen - im Falle börsengehandelter Genussscheine: Kursverluste - hinnehmen.
Gesellschaftsrechte: Sie haben keine Mitspracherechte, bestimmte Informationsrechte können vereinbart werden.
Ausstiegsmöglichkeiten: Eine Kündigung ist in der Regel für einen mehrjährigen Zeitraum ausgeschlossen.
 
=> Mitarbeiter als Fremdkapitalgeber

Mitarbeiter als Gläubiger verschaffen dem Unternehmen für einen begrenzten Zeitraum zusätzliche Liquidität, die zum Beispiel Bankkredite ersetzen kann.

Arbeitnehmerdarlehen bringen Arbeitnehmern keine Mitspracherechte, dafür ist das Verlustrisiko geringer.
Konzept: Arbeitnehmer stellen dem Unternehmen Fremdkapital zur Verfügung und erhalten dafür in der Regel eine feste Verzinsung. Die Ausschüttungen können auch an Erfolgsfaktoren wie die Gewinnentwicklung gekoppelt werden.
Vermögensrisiko: Nur im Insolvenzfall können die Mitarbeiter ihr eingesetztes Kapital verlieren.
Gesellschaftsrechte: Einfluss auf die Geschäftspolitik haben sie als Gläubiger ihres Arbeitgebers nicht.
Ausstiegsmöglichkeiten: Das Darlehen wird am Ende der Laufzeit zurückgezahlt.

  • In anderen europäischen Ländern sind die Beschäftigten häufiger am Kapitalstock ihres Unternehmens beteiligt. Zur Grafik
  • Aktien sind das praktischste Instrument, um die Belegschaft am Unternehmenskapital zu beteiligen. Zur Grafik
  • Eine Übersicht über die Varianten der Kapitalbeteiligung - an Fremd-, Mezzanine- oder Eigenkapital. Zur Grafik

Birgit Mielke: Mitarbeiterkapitalbeteiligung, internes Arbeitspapier der Hans-Böckler-Stiftung, 2006.

Impuls-Beitrag als PDF

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen