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HBS Böckler Impuls

Dänemark: Viel Verantwortung für Arbeitnehmer

Ausgabe 08/2005

Wie funktioniert Mitbestimmung in den Nachbarländern? Die Copenhagen Business School hat die erste wissenschaftliche Untersuchung über dänische Arbeitnehmerdirektoren vorgelegt: Über 3.000 von den Belegschaften gewählte Beschäftigte sitzen dort in den Leitungsgremien der Unternehmen, den so genannten Boards.

Board oder Vorstand und Aufsichtsrat - dies sind die verschiedenen Modelle der Unternehmensleitung in der Europäischen Union. Während die deutsche Unternehmensverfassung von Kapitalgesellschaften nur die dualistische Struktur - Aufsichtsrat und Vorstand - vorsieht, gilt in Dänemark die monistische Struktur: Führung und Aufsicht eines Unternehmens sind im Board zusammengefasst.

Seit 1987 gilt: In allen dänischen Unternehmen ab 35 Arbeitnehmern sind im Board ein Drittel Arbeitnehmerdirektoren vorgesehen - mindestens zwei. Damit sie in ihr Amt kommen, müssen sich zunächst zehn Prozent der Belegschaft für ihre Einrichtung aussprechen. Die Beschäftigten wählen sie sodann auf vier Jahre.

Arbeitnehmerdirektoren weit verbreitet.
Knapp 60 Prozent der Beschäftigten in Dänemark arbeiten heute in Unternehmen, die Arbeitnehmerdirektoren in ihrem Board haben. Die Studie weist auf ein Gefälle hin: Je größer das Unternehmen, desto verbreiteter die Mitbestimmung über Arbeitnehmerdirektoren. In Deutschland ist eine Arbeitnehmerbeteilung im Aufsichtsrat erst ab 500 Beschäftigten vorgesehen.

In Kleinbetrieben mit weniger als 35 Beschäftigten dominieren die schon 1947 eingerichteten Kooperationsausschüsse unterhalb des Leitungsgremiums. Sie sind paritätisch von Arbeitnehmervertretern und Unternehmensleitung besetzt. Hier werden alle das Unternehmen betreffenden zentralen Fragen erörtert, mit Ausnahme der die Tarifverhandlungen berührenden Angelegenheiten.

Arbeitnehmerdirektoren haben Einfluss. Die Arbeitnehmerdirektoren im Board haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die von den Anteilseignern bestellten Direktoren. Auch wenn sie nur ein Drittel der Sitze im Board innehaben: Die Arbeitnehmerdirektoren sind überzeugt, dass sie wesentlichen Einfluss auf Entscheidungen des Unternehmens besitzen. Diese  Meinung ist vor allem aus börsennotierten Unternehmen zu hören, erläutert die Studie. Die Untersuchung basiert auf der Befragung von 500 Arbeitnehmerdirektoren im Jahre 2004.

Arbeitnehmerdirektoren sind Netzwerker. Die Mehrzahl der Arbeitnehmerdirektoren in klein- und mittelgroßen Unternehmen sind Facharbeiter, in börsennotierten Unternehmen Fachhochschulabsolventen. Ihr Einfluss gründet sich aber nicht auf spezielle Berufsqualifikationen. Wichtig ist die Fähigkeit, gewerkschaftliche Vertrauensleute, die Mitglieder des Kooperationsausschusses und die Beschäftigten selbst in die Debatten über Unternehmensentscheidungen einzubinden. Spezielle Weiterbildungsangebote für Arbeitnehmerdirektoren haben sich dieser Hinsicht als nützlich erwiesen, so die Studie der Copenhagen Business School.

Arbeitnehmerdirektoren gehören zur dänischen Corporate Governance. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer durch ihre Arbeitnehmerdirektoren ist ein Ausweis der Stakeholder-Value-Orientierung der dänischen Unternehmensverfassung. Sie beachtet nicht nur die Interessen der Anteilseigner, sondern auch diejenigen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Kunden und Verbraucher sowie der Gesellschaft im Ganzen.

  • Deutschland ist kein Sonderfall: In 18 von 25 Staaten der Europäischen Union ist das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer auf Unternehmensebene gesetzlich geregelt. Zur Grafik

Caspar Rose, Hans Kurt Kvist: Employee Directors - What is their say? Englische Kurzfassung Ingrid Petersen, 2004

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