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HBS Böckler Impuls

Gerechtigkeit: Vermögenssteuer: Breite Zustimmung

Ausgabe 17/2018

Eine deutliche Mehrheit hält die Besteuerung von Vermögen für gerechtfertigt – insbesondere, wenn es ohne eigene Leistung erworben wurde.

Dass bei der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland etwas im Argen liegt, ist den meisten bewusst: Einer aktuellen Umfrage zufolge halten vier Fünftel die Ungleichheit für zu groß und befürworten staatliche Eingriffe. Zur Korrektur der sozialen Schieflage könnte unter anderem die Wiedereinführung der 1997 ausgesetzten Vermögenssteuer beitragen. Die Soziologen Patrick Sachweh und Debora Eicher von der Universität Frankfurt am Main haben untersucht, unter welchen Umständen eine solche Steuer auf Akzeptanz stoßen würde. Ihrer empirischen Studie zufolge wird die Besteuerung von Vermögen überwiegend als legitim wahrgenommen. Die Zustimmung fällt am größten aus, wenn Reichtum auf Geburt, Heirat oder Spekulation beruht.

Gegenstand der Analyse ist die persönliche Vermögenssteuer. Dabei fallen die Steuersätze in der Regel so moderat aus, dass die Betroffenen die Zahlungen an den Fiskus aus den laufenden Vermögenserträgen begleichen können. Als es in Deutschland noch eine solche Steuer gab, betrug der Satz die längste Zeit 0,5 Prozent pro Jahr. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass eine Vermögenssteuer jährlich zehn bis 20 Milliarden Euro einbringen könnte.

Um herauszufinden, was die Bevölkerung von einer Wiedereinführung halten würde, haben Sachweh und Eicher rund 2100 Personen per Zufallsstichprobe ausgewählt und befragt. Ihnen wurden kurze Texte vorgelegt, die die Vermögenssituation eines fiktiven Herrn Müller beschreiben. Ein Teil der Befragten erhielt zusätzlich Informationen zur realen Verteilung des Reichtums in Deutschland. Darüber hinaus wiesen die Beschreibungen zufällig variierende Angaben zur sozialen Herkunft und zur Art des Vermögenserwerbs auf: Herr Müller entstammt entweder einer armen oder einer wohlhabenden Familie und verdankt sein Kapital von über einer Million Euro entweder Erwerbsarbeit, Erbschaft, Heirat oder Börsenspekulation.

Die Frage, ob das Vermögen von Herrn Müller besteuert werden sollte, bejaht generell eine klare Mehrheit der Studienteilnehmer: Fast sieben von zehn stimmen zu, 44 Prozent sogar „voll und ganz“. Nur ein Zehntel ist „überhaupt nicht“ dieser Meinung. Das Ausmaß der Zustimmung steigt, wenn Herr Müller wohlhabende Eltern hatte und wenn er sein Vermögen nicht durch Arbeit, sondern durch Erbe, Heirat oder an der Börse gewonnen hat. Das gilt auch dann, wenn andere Einflussfaktoren wie Einkommen, Bildung oder Alter der Befragten herausgerechnet werden. Ob die Teilnehmer Informationen zur Vermögensverteilung erhalten haben oder nicht, scheint dagegen keine messbare Rolle zu spielen.

Die Sozialwissenschaftler erklären ihre Ergebnisse mit der fundamentalen Bedeutung des Leistungsprinzips. Wenn Ungleichheiten auf erbrachten Leistungen beruhen, sind sie demnach zu rechtfertigen, anderenfalls nicht. Unverdientes Vermögen zu besteuern, das sich privilegierter Herkunft oder Glück verdankt, erscheine aus dieser Perspektive legitim. „Pointiert könnte man folgern, dass Vermögen nicht gleich Vermögen ist. Vielmehr spielen die Art und Weise seines Erwerbs sowie die Frage, ob die Vermögenden Startvorteile hatten oder nicht, eine wichtige Rolle“, so Sachweh und Eicher. Wer sich für eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer einsetzt, sollte nach Ansicht der Forscher in der öffentlichen Debatte betonen, dass Vermögensakkumulation oft ein Produkt des Zufalls oder glücklicher Umstände und nicht ausschließlich Ausdruck individueller Leistungen ist.

  • Im internationalen Vergleich tragen Vermögen hierzulande wenig zum Steueraufkommen bei. Zur Grafik

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