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HBS Böckler Impuls

Weiterbildung: Unternehmen investieren weniger ins Know-how

Ausgabe 08/2008

Deutschlands Unternehmen haben in den vergangenen Jahren die betriebliche Weiterbildung reduziert. Selbst in Tschechien war der Anteil aktiver Betriebe zuletzt höher.

In Deutschland kümmern sich weniger Unternehmen um den Wissenserwerb ihrer Beschäftigten als noch vor einigen Jahren. 1999 machten 75 Prozent der Betriebe ihren Mitarbeitern Weiterbildungsangebote, 2005 waren es nur noch 69 Prozent - und seitdem ist keine Trendwende zu erkennen. Das geht aus einer Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) hervor. Die Wissenschaftler haben Daten der dritten europäischen Erhebung zur betrieblichen Weiterbildung in 21 EU-Staaten und Norwegen ausgewertet. Auch in anderen Ländern hat der Qualifizierungs-Elan nachgelassen - der Anteil der Betriebe mit Lernangeboten sank jedoch in Skandinavien und den Niederlanden von einem höheren Niveau aus. Die sich ausbreitende Weiterbildungs-Abstinenz der deutschen Arbeitgeber halten die Experten des BIBB für einen Fehler. "Studien für Deutschland und andere Länder zeigen, dass Betriebe durch Weiterbildung deutliche Produktivitätseffekte verzeichnen, die weit über das hinausgehen, was die Arbeitnehmer - beispielsweise in Form von Lohnerhöhungen - zurückerhalten."

Osteuropa holt auf. Noch ist in Europa die Bandbreite groß: In Großbritannien machten 90 Prozent der Arbeitgeber den Beschäftigten Weiterbildungsangebote, in Griechenland gerade mal 21 Prozent. Doch es gibt einen Trend zur Angleichung. In fast allen Ländern Nord- und Westeuropas war ein Rückgang zu beobachten, dagegen engagierten sich die Betriebe in Süd- und Osteuropa stärker. Zwischen 1999 und 2005 stieg der Anteil der aktiven Betriebe in Portugal und Rumänien um über 20 Prozentpunkte. Unter den EU-Beitrittsstaaten ist Tschechien am weitesten gekommen - im Nachbarland sind die Arbeitgeber mittlerweile stärker als in der Bundesrepublik daran interessiert, den Kenntnisstand ihrer Beschäftigten zu heben.

In Deutschland fielen die Einschnitte in mittelgroßen Betrieben mit 250 bis 499 Beschäftigten am stärksten aus. Nahezu jedes Großunternehmen organisierte im Jahr 2005 Seminare, aber nicht einmal jedes zweite Kleinunternehmen.

Nur neun Stunden zum Lernen: In Betrieben mit Kursangeboten hat nun ein größerer Teil der Belegschaft etwas davon - hier stieg die Beteiligungsquote von 1999 bis 2005 um knapp drei Prozentpunkte auf 39 Prozent. Doch weil die Zahl der weiterbildenden Unternehmen gesunken ist, profitiert in Deutschland nicht einmal jeder dritte Beschäftigte von betrieblicher Qualifizierung. Im Schnitt stehen den Arbeitnehmern neun Stunden ihrer Jahres-Arbeitszeit zum Lernen zur Verfügung. Die stärksten Einbußen bei dieser Kennzahl verzeichneten europaweit die dänischen Beschäftigten - statt 22 Stunden lernen sie nur noch 10 Stunden.

Die deutschen Betriebe gaben 2005 durchschnittlich 237 Euro pro Beschäftigten für Weiterbildungskurse aus, etwa ein Viertel weniger als 1999. Die  Kosten für Kurse sind von 0,9 auf 0,7 Prozent der gesamten Arbeitskosten gesunken. Deutschland liegt damit nur noch vor Norwegen, Belgien, Portugal, Spanien und Griechenland. In der Mehrheit der EU-Länder wurden die Bildungsinvestitionen zwischen 1999 und 2005 nicht erhöht. 

  • Das Engagement der Betriebe für die Weiterbildung ihrer Beschäftigten hat in den vergangenen Jahren nachgelassen. Zur Grafik
  • Keine zehn Stunden Weiterbildung erhalten Deutschlands Beschäftigte im Schnitt pro Jahr. Zur Grafik

Friederike Behringer, Dick Moraal, Gudrun Schönfeld: Betriebliche Weiterbildung in Europa: Deutschland weiterhin nur im Mittelfeld. Aktuelle Ergebnisse aus CVTS3 (pdf), in: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis - BWP 1/2008, Bundesinstitut für Berufsbildung

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