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HBS Böckler Impuls

Hartz IV: Trotz Vollzeitjob zu wenig Geld

Ausgabe 10/2006

Hartz IV hat es an den Tag gebracht: Viele erreichen mit ihrem Verdienst noch nicht einmal das Existenzminimum - keineswegs nur geringfügig Beschäftigte.

"Es gibt in Deutschland ein bedeutsames Segment nicht existenzsichernder Erwerbseinkommen", beobachtet die Arbeitsmarktexpertin Alexandra Wagner. Eine Auswertung der Beschäftigten- und der Grundsicherungsstatistik durch die Bundesagentur für Arbeit ergab: Im Juni 2005 bezogen hochgerechnet 388.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ergänzend ALG-II-Leistungen. Teilzeitbeschäftigte machen dabei nur einen Teil (27 Prozent) aus, rund 284.000 waren Vollzeitbeschäftigte - 1,3 Prozent aller Beschäftigten mit Ganztagsjob. Ein Anspruch auf ALG II wird nur nach einer scharfen Bedürftigkeitsprüfung anerkannt, die eigenes und Partnereinkommen sowie Ersparnisse einbezieht.

Große Probleme sind vor allem in Ostdeutschland sichtbar: Dort benötigten 3,3 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zusätzlich ALG II. Bundesweit sind Ausländer und Ungelernte besonders betroffen. Insgesamt bekamen 906.000 Erwerbstätige ihr Arbeitseinkommen aufgestockt, fast doppelt so viele wie vor der Reform. Dazu zählen auch 395.000 Minijobber (8,3 Prozent der Minijobber, in Ostdeutschland sogar 19,9 Prozent). Dass Minijobs gefördert werden, ist für Wagner arbeitsmarktpolitisch kaum zu begründen. Es werde vielmehr deutlich: Minijobs tragen nicht dazu bei, Armut zu überwinden.

Die Kombination von Grundsicherung und Arbeitseinkommen kann am Arbeitsmarkt erhebliche Probleme schaffen, warnt die Expertin: Sinkt dadurch das Lohnniveau, steigt der Bedarf an staatlicher Hilfe. Ein gesetzlicher Mindestlohn könne verhindern, dass Vollzeitbeschäftigte auf die Grundsicherung angewiesen sind. Gleichzeitig müsste jedoch auch das Kindergeld auf existenzsichernde Höhe angehoben werden, so die Arbeitsmarktforscherin. Denn die Bedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaften entsteht nicht nur aufgrund spärlicher Stundenlöhne und Arbeitsverhältnisse mit zu geringer Stundenzahl, sondern auch wegen zu niedriger Transfers wie Kinder- und Wohngeld.

  • Viele Beschäftigte erreichen mit ihrem Arbeitseinkommen nicht das Existenzminimum. Zur Grafik

Alexandra Wagner: Grundsicherung trotz Erwerbstätigkeit, noch unveröffentlicht, Monitor Arbeitsmarktpolitik, 2006
zum Projekt "Monitor Arbeitsmarktpolitik", gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anrechenbare Einkommen und Erwerbstätigkeit, Bericht der Statistik der BA, März 2006

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