zurück
HBS Böckler Impuls

Entgelt: Tarifverträge: Haltelinie nach unten

Ausgabe 11/2005

Beim Abbau übertariflicher Leistungen ist kein Ende in Sicht. Tarifverträge mit ihren verlässlichen Standards werden deshalb immer wichtiger.

Auch der jüngste Tarifbericht des WSI betont wieder die seit Jahren beobachtete "negative Lohndrift". Die tatsächlichen Einkommen steigen langsamer als das, was als zusätzliches Einkommen in den Tarifverträgen vereinbart wurde. Ein Grund: Immer mehr Unternehmen bauen die übertariflichen Leistungen ab. 59 Prozent gaben bei der jüngsten Betriebsrätebefragung des WSI an, dass bei ihnen über Tarif gezahlt wird, jeder vierte von ihnen berichtet, dass diese Leistungen in den letzten zwei Jahren aber gekürzt worden sind. 2003 hatten noch 63 Prozent der Betriebsräte von übertariflichen Leistungen berichtet.

In Ostdeutschland zahlen nur 32 Prozent der Betriebe ihren Beschäftigten mehr, als im Tarifvertrag steht. Hier wurden - folgt man den Betriebsräten - in den vergangenen beiden Jahren nur in zehn Prozent der Fälle übertarifliche Zahlungen eingeschmolzen.

Für besondere Situationen gibt es in den Tarifverträgen auch bezüglich des regulären Lohns und Gehalts Öffnungsklauseln. Sie werden aber lange nicht so stark genutzt wie die Möglichkeiten zur Arbeitsflexibilisierung. 17 Prozent der befragten Betriebe nutzten die Möglichkeit, die Jahressonderzahlung zu kürzen oder auszusetzen, 12 Prozent setzten Tariferhöhungen aus. An die Grundvergütung und ans Urlaubsgeld geht es seltener.

Ertragsabhängige Bezahlung: Zahlreiche Firmentarifverträge und die Branchentarifverträge im Bankgewerbe sowie der Chemischen Industrie ermöglichen heute eine ertragsabhängige Einkommensgestaltung. In gut einem Drittel der Betriebe hängt das Einkommen der Beschäftigten inzwischen auch vom Betriebsergebnis ab, vor allem in großen Firmen und bei Kredit- und Versicherungsunternehmen. Ob Ost oder West macht keinen Unterschied. Jahressonderzahlungen sind dabei das übliche, fast gleichermaßen entweder für alle Beschäftigten oder für einzelne Gruppen gezahlt.

Die ertragsabhängigen Einkommensbestandteile regeln die Betriebsräte und Arbeitgeber in der Regel unter sich, oder sogar der einzelne Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber. In gut jedem dritten dieser Betriebe gibt es allerdings noch nicht mal eine schriftliche Vereinbarung darüber. Insgesamt gibt es nur in 18 Prozent der Betriebe tarifvertragliche Regelungen hierzu, wie die Betriebsräteumfrage zeigt.

Welche hohe Bedeutung Tarifverträge trotz allem immer noch haben, zeigt dieses: Von den Betrieben, die formal nicht an Tarifverträge gebunden sind, orientieren sich 77 Prozent trotzdem an deren Inhalten, am "branchenüblichen Tarif". In den Unternehmen, denen Tarifverträge egal sind, geht das in der Regel zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: In 70 Prozent der Betriebe verdienen sie weniger.

Reinhard Bispinck und WSI-Tarifarchiv: Immer flexibler - und immer länger ?
Tarifliche Regelungen zur Arbeitszeit und ihrer Gestaltung. Eine Analyse von 24 Tarifbereichen, April 2005
Bestellung und Download

WSI-Mitteilungen 6/2005, Schwerpunktheft "Zur Lage der Interessenvertretung: Die aktuelle WSI-Befragung von Betriebs- und Personalräten"
zum Heft

Frank Bauer, Eva Munz: Arbeitszeiten in Deutschland: 40plus und hochflexibel;
in: WSI-Mitteilungen 01/2005
zum Artikel

Impuls-Beitrag als PDF

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen