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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Subventionierter Stellenabbau

Ausgabe 03/2007

Ein-Euro-Jobs verdrängen sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und schaffen bislang keine Brücken in den ersten Arbeitsmarkt. Damit Zusatzjobs für Arbeitslose mehr nützen als schaden, sollten die Arbeitsvermittler genauer hinsehen, rät das IAB.

Ein-Euro-Jobber werden oft nicht so eingesetzt, wie es das Gesetz vorsieht: Jeder zweite Betrieb mit Ein-Euro-Stellen überträgt ihnen nicht nur zusätzliche, sondern auch reguläre Tätigkeiten. Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Das IAB befragte im vierten Quartal 2005 knapp 4.000 Betriebe aus den Wirtschaftbereichen, in denen die meisten Ein-Euro- oder Zusatzjobber arbeiten - vor allem in den sozialen und öffentlichen Dienstleistungen sowie der Verwaltung.

Wie viele reguläre Stellen Ein-Euro-Jobs schon gekostet haben, können die Arbeitsmarktforscher nicht beziffern. Jedoch würden "in einem nicht zu vernachlässigenden" Teil der Betriebe normale Stellen "auf die eine oder andere Art" ersetzt. Die IAB-Studie zeigt, dass dies auf drei Wegen geschehen kann:

Direkte Substitution: Die von der Arbeitsagentur subventionierten Kräfte werden eingesetzt, um Personalabbau abzufedern. Und knappe Personaletats sind keine Seltenheit: In allen untersuchten Sektoren ist die Zahl der regulären Neueinstellungen seit Jahren rückläufig. Gerade in Ostdeutschland dürfte die angespannte finanzielle Lage der öffentlichen Haushalte den Einsatz von Zusatzjobbern begünstigen.

Schleichende Substitution: Ein-Euro-Jobber übernehmen Krankheitsvertretungen oder erledigen Aufgaben der Stammbelegschaft, damit diese Überstunden abbauen kann. Mittel- bis langfristig könnten solche Überwälzungen von Tätigkeiten zu weniger Arbeit für die Stammbelegschaft und Stellenstreichungen führen, warnt das IAB.

Wettbewerbsverzerrung: Betriebe, die Zusatzjobs anbieten, können ohne zusätzliche Lohnkosten ihr Leistungsangebot ausweiten. Damit verbessern sie ihre Wettbewerbssituation auf Kosten von Konkurrenten, die nur regulär bezahlte Arbeitskräfte beschäftigen. Hier könnten Stellen verloren gehen. Die Arbeitsmarktforscher sehen diese Gefahr vor allem bei den sozialen Dienstleistungen, wo neben öffentlichen und gemeinnützigen Anbietern viele private Betriebe tätig sind.

Das IAB schreibt: Eine "zu 100 Prozent öffentlich finanzierte Beschäftigung" dürfe nicht dazu führen, dass "reguläre ungeförderte Beschäftigung verringert und damit Arbeitslosigkeit bei anderen Personen erhöht wird". Nicht zuletzt gefährde dies die Finanzierung der Sozialversicherungssysteme. Die Forscher empfehlen daher, dass regionale Beiräte - besetzt mit Vertretern der Arbeitsagenturen, Kommunen, Gewerkschaften und lokaler Wirtschaft - strenger über den Einsatz von Ein-Euro-Jobs wachen sollen. Also konkrete Bedingungen formulieren und regelmäßig kontrollieren, ob sie eingehalten werden. Zudem sollten die Arbeitsvermittler engere Kontakte zu Betrieben und den vermittelten Jobbern halten. Ein solches "Einzelfall-Monitoring" verursache zwar Kosten, könne aber gesamtwirtschaftliche Schäden durch Verdrängung regulärer Jobs vermeiden, die letztlich viel teurer kommen würden.

Den meisten Zusatzjobbern winkt keine Übernahme in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis: Die befragten Betriebe beabsichtigen nur bei zwei von hundert als "geeignet" eingestuften Ein-Euro-Jobbern eine reguläre Anstellung nach Ablauf der Förderung. Für eine Einstellung geeignet sind nach Angaben der Betriebe 57 Prozent der Ein-Euro-Jobber in Ostdeutschland und 29 Prozent im Westen. Dabei bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen: Am besten schneiden die über 50-Jährigen ab, Jugendliche unter 25 werden von den Betrieben am schlechtesten beurteilt.

Ob Arbeitslose nach einem Ein-Euro-Job bessere Einstellungschancen bei anderen Betrieben haben, lässt sich laut IAB bisher nicht feststellen. Die Forscher schreiben den subventionierten Probejobs unter bestimmten Bedingungen immerhin eine indirekte Brückenfunktion zu: Sie könnten helfen, persönliche Defizite der Arbeitslosen aufzudecken, die einer Integration in den ersten Arbeitsmarkt im Wege stehen - und damit Ansatzpunkte für Qualifizierungsmaßnahmen oder psycho-soziale Trainings bilden. Das würde aber wiederum einen besseren Informationsaustausch zwischen Arbeitsagentur und Einsatzbetrieb voraussetzen. Nötig wäre außerdem ein "signifikantes Mehrbeschäftigungspotenzial" auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Trotz aller Schwierigkeiten haben die Ein-Euro-Jobs nach Einschätzung des IAB ihr Gutes: Sie geben Arbeitslosen die Möglichkeit, ihr Können unter Beweis zu stellen und Neues zu lernen. Gleichzeitig fördern sie die soziale Integration.

  • Besonders in Ostdeutschland arbeiten entgegen der ursprünglichen Intention bei weitem nicht nur "arbeitsmarktferne" Personen in EIn-Euro-Jobs. Zur Grafik

Anja Kettner, Martina Rebien: Soziale Arbeitsgelegenheiten, Einsatz und Wirkungsweise aus betrieblicher und arbeitsmarktpolitischer Perspektive, IAB-Forschungsbericht Nr. 2, Januar 2007. Studie zum Download (pdf)

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