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Steigende Gaspreise belasten Ärmere Böckler Impuls

Inflation: Steigende Gaspreise belasten Ärmere

Ausgabe 04/2022

Preissteigerungen belasten aktuell kinderlose Paare und Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen am stärksten. Singles mit hohem Einkommen sind weniger stark betroffen.

Steigende Energiepreise treiben die Inflation: Im Januar lag sie insgesamt bei 4,9 Prozent. Allerdings treffen steigende Preise nicht alle gleich, da je nach Haushalt unterschiedliche Ausgaben anfallen. Das zeigt ein Blick auf den IMK-Inflationsmonitor, der spezifische Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen liefert. 

Demnach verteuerte sich der haushaltsspezifische Warenkorb bei kinderlosen Paaren mit mittlerem Einkommen im Januar um 5,0 Prozent. Für Familien mit zwei Kindern und niedrigem oder mittlerem Einkommen betrug die Preissteigerung durchschnittlich 4,9 Prozent. Bei Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem Einkommen waren es 4,8 Prozent. 

Demgegenüber verteuerte sich der Warenkorb für Singles mit sehr hohem Einkommen um 4,2 Prozent. Auch für Singles mit niedrigen, mittleren und höheren Einkommen lagen die Raten mit 4,4 bis 4,7 Prozent etwas unterhalb der allgemeinen Preissteigerung. 

Sollten die Energiepreise weiter steigen, was derzeit wahrscheinlich ist, dürfte das Haushalte mit niedrigeren Einkommen besonders stark belasten. Denn unverzichtbare Ausgaben für Haushaltsenergie und Lebensmittel haben bei ihnen ein sehr hohes Gewicht. Hinzu kommt, dass ärmere Haushalte kaum Spielräume haben, ihren Konsum durch Rückgriff auf Erspartes aufrechtzuerhalten.  

„Die Inflation trifft Haushalte mit geringeren Einkommen zwar noch nicht überproportional, aber infolge des höheren Anstiegs bei Haushaltsenergie relativ stärker als im Dezember“, skizzieren Silke Tober und Sebastian Dullien vom IMK die aktuelle Entwicklung. Für die kommenden Monate sehen die Expertin und der Experte mit Blick auf die Gaspreise große Risiken. Hintergrund ist, dass die Preise, die Gasversorger bezahlen müssen, um sich Lieferungen in einigen Monaten zu sichern, sogenannte Futures, seit Dezember noch weitaus stärker angezogen haben als die Preise für Endkunden. Ein wesentlicher Grund ist der Konflikt mit Russland, dem wichtigsten Gaslieferanten Deutschlands. „Sollten die Versorger die für 2022 an den Future-Märkten notierten Gaspreise vollständig an ihre Kunden weitergeben, würde das eine Verdopplung der Gaspreise bedeuten und eine Erhöhung der Inflationsrate um rund 2,5 Prozentpunkte“, warnen Tober und Dullien. Das hieße, dass die Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent in diesem Szenario selbst dann deutlich überschritten wäre, wenn alle anderen Preise stabil bleiben würden – was unrealistisch ist, zumal die Kosten für Gas etwa auch den Strompreis spürbar beeinflussen.

„Da eine zügige Normalisierung der internationalen Gaspreise nicht mehr in Sicht ist, sollte die Bundesregierung rasch wirtschaftspolitisch gegensteuern, um soziale Härten und eine Beeinträchtigung der Konjunktur abzuwenden“, empfehlen die Fachleute des IMK. Die bereits diskutierte vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage sei eine sinnvolle Maßnahme, reiche aber nicht aus, wenn die Gaspreise regelrecht explodierten. Zusätzlich wäre eine zeitweise Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie eine Möglichkeit. Darüber hinaus schlägt das IMK vor, für Haushalte, die mit Gas heizen oder kochen, zeitweilig einen Grundbedarf preislich zu deckeln. Der Staat sollte beispielsweise für die ersten 8000 Kilowattstunden Gas, die Haushalte beziehen, einen Höchstpreis von etwa 7,5 Cent pro kWh festlegen und die Versorgungsunternehmen für ihre Mehrkosten entschädigen. Das würde ungefähr dem halben Jahresverbrauch einer Wohnung mit 100 Quadratmetern entsprechen. Bei Haushalten mit vielen Personen könnte das Kontingent auch größer ausfallen, so Dullien und Tober.

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