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HBS Böckler Impuls

Kündigungsschutz: Statt Allgemeingut bald Privileg?

Ausgabe 13/2005

Der deutsche Kündigungsschutz steht weiter unter Beschuss. Bei Neueinstellungen soll er in den ersten drei Jahren nicht gelten. Auch sollen Betriebe mit bis zu 20 Mitarbeitern davon ausgenommen sein. Fakt ist: Solche weit reichenden Änderungen würden den Kündigungsschutz zu einer Ausnahmeregelung für wenige degradieren. Neue Beschäftigung brächten sie höchstwahrscheinlich nicht.

Derzeit gilt das Kündigungsschutzgesetz in Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten. Stiege der Schwellenwert auf 20, fielen über 91 Prozent der Betriebe aus dem Geltungsbereich des Gesetzes heraus. Neun Millionen Beschäftigte stünden im Falle einer ungerechtfertigten Kündigung ohne Schutz da.

Warum das? Der Kündigungsschutz erschwere Unternehmen in ungünstiger Situation eine Entlassung, heißt es. Es drohten hohe Kosten, besonders wegen langwieriger Kündigungsschutzprozesse. Der Mittelstand könne sich das nicht leisten. In Wahrheit strengen nur wenige Gekündigte eine Klage gegen ihren bisherigen Arbeitgeber an, ergab eine Studie des WSI. Nur 15 Prozent aller Betriebe sahen sich nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung mit einer Klage konfrontiert. In Kleinbetrieben ist diese Quote sogar geringer. Abfindungen zahlen die Kleinen ebenfalls seltener als die Großen. Die Chance, in einem Betrieb mit bis zu 19 Beschäftigten nach einer Arbeitgeberkündigung eine Abfindung zu erhalten, ist nur halb so hoch wie im Durchschnitt.

Aber auch die verlängerte Wartezeit von bis zu drei Jahren - derzeit gelten sechs Monate - würde sich massiv auf die Rechte der Beschäftigten auswirken. Bereits jetzt sprechen Arbeitgeber in einem Fünftel der Fälle Kündigungen innerhalb der ersten sechs Monate aus. Bei einer Erhöhung auf drei Jahre würde dieser Anteil auf über die Hälfte gesteigert, so das WSI.

Selbst wenn die Pläne der Kündigungsschutz-Gegner sich nur auf Neueinstellungen bezögen: An Schärfe verlören sie nicht. Denn der angeblich so starre deutsche Arbeitsmarkt verzeichnet über das Jahr eine starke Fluktuation. Und wer einmal den Betrieb wechselt, der bliebe in Zukunft für mindestens drei Jahre außen vor. Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) beginnen jährlich zwischen 7,3 und 8,9 Millionen Menschen ein neues Arbeitsverhältnis.

Und das alles ohne die Aussicht auf mehr Beschäftigung: Unterschiedliche Schwellenwerte im deutschen Kündigungsschutzrecht haben weder die Zahl der Einstellungen noch die der Kündigungen messbar verändert, so Studien des IAB und anderer Institute.

  • Der deutsche Kündigungsschutz steht weiter unter Beschuss. Bei Neueinstellungen soll er in den ersten drei Jahren nicht gelten. Auch sollen Betriebe mit bis zu 20 Mitarbeitern davon ausgenommen sein. Fakt ist: Solche weit reichenden Änderungen würden den Kündigungsschutz zu einer Ausnahmeregelung für wenige degradieren. Neue Beschäftigung brächten sie höchstwahrscheinlich nicht. Zur Grafik

Heide Pfarr u.a.: Der Kündigungsschutz zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit, Betriebliche Erfahrungen mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2005; mehr Infos zum Buch

Der deutsche Kündigungsschutz - kein Hemmschuh für mehr Beschäftigung, Artikel für die Frankfurter Rundschau von REGAM-Projektmitarbeiterin Karen Ullmann
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