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HBS Böckler Impuls

Vorstandsvergütung: Spitzengehälter für Manager - der Mythos vom weltweiten Arbeitsmarkt

Ausgabe 05/2010

Ist es der internationale Wettbewerb um die besten Köpfe, der die Bezahlung von Topmanagern in die Höhe treibt? Empirische Studien nähren Zweifel: Weltweit besetzen Unternehmen Spitzenpositionen überwiegend mit Landsleuten, vorzugsweise aus dem eigenen Haus.

Exorbitante Vergütungen für Spitzenmanager werden oft mit dem Hinweis gerechtfertigt, die besten Leute müsse man so gut bezahlen, damit sie Deutschland nicht den Rücken kehren. Andernfalls würden sie wegen besserer Konditionen bei Unternehmen in den USA anheuern. Markus Pohlmann, Soziologie-Professor in Heidelberg, hat untersucht, ob es für Manager tatsächlich so einfach ist, eine Spitzenposition in einem anderen Land zu bekommen. Sein Fazit: Einen internationalen Arbeitsmarkt für Manager und eine globale Elite, die mit Leichtigkeit zwischen den Chefetagen der Weltkonzerne wechselt, gibt es nicht. Der  "Brain drain", die Abwanderung von Hochqualifizierten in andere Länder, hält sich in engen Grenzen.

Aus verschiedenen Untersuchungen - von Pohlmann selbst und dem Elitenforscher Michael Hartmann - ergibt sich ein klares Bild: Unter den Chefs der 100 größten  Unternehmen in den USA waren im Jahr 2005 nur fünf, die nicht in den Vereinigten Staaten aufgewachsen sind. Noch niedriger ist die Quote in Japan oder Frankreich. Eine Untersuchung für Deutschland kommt für das Jahr 2005 auf neun ausländische Vorstandsvorsitzende bei den 100 Top-Unternehmen. Die größte Gruppe unter den ausländischen Spitzenmanagern stellen dabei Schweizer und Österreicher. Mit einem knappen Fünftel ausländischer Chefs kommt lediglich Großbritannien auf einen relativ hohen Wert. Aber auch dort ist die kulturelle Vielfalt überschaubar: Die meisten ausländischen Vorstandsvorsitzenden kommen aus Commonwealth-Staaten.

Auch unterhalb der ersten Führungsebene fand Pohlmann keine Hinweise darauf, dass global tätige Unternehmen wichtige Positionen mit Angehörigen einer globalisierten Managerelite besetzen. So liegen die Ausländeranteile des oberen und mittleren Managements meist ebenfalls im einstelligen Prozentbereich, wie etwa Fallstudien in Deutschland oder den USA zeigen.

Stippvisiten bei Tochterfirmen statt "echter" Auslandskarrieren

Auslandsaufenthalte sind für angehende Führungskräfte heute zwar wichtiger als in früheren Zeiten. Aber internationale Karrieren verlaufen anders als die These von der globalen Managementelite unterstellt: Üblich sind in Deutschland ebenso wie in den USA und Ostasien weiterhin Hauskarrieren - die aber Stationen bei ausländischen Filialen des Arbeitgebers beinhalten.

Wechsel zu ausländischen Arbeitgebern sind Pohlmann zufolge eher selten: "Die Mehrzahl der Karrieren wird weder im Ausland gemacht noch dort fortgesetzt". Der Soziologe spricht von "Brain circulation" statt "Brain drain" oder "Brain gain", um die Praxis zeitlich begrenzter Entsendungen ins Ausland zu beschreiben.

Aller Globalisierung und Flexibilisierung der Wirtschaft zum Trotz: Jeder zweite Chef einer der 100 größten US-Firmen hat im Lauf seiner beruflichen Karriere nicht ein einziges Mal das Unternehmen gewechselt. In Deutschland sieht das ähnlich aus. In Ostasien gilt das für über zwei Drittel. Wenn Spitzenpositionen zu besetzen sind, gibt es in allen Weltregionen "eine klar erkennbare Präferenz für Insider", fasst Pohlmann zusammen. Falls doch einmal Leute von außen engagiert werden, geschieht dies selten per Ausschreibung und Bewerbung. Meist sind dem Forscher zufolge "Koalitionen und Netzwerke" entscheidend, keine Märkte.

Als Erklärung für die Dominanz von Hauskarrieren nennt Pohlmann vor allem zwei Faktoren: Zum einen erscheint das Risiko, eine personelle Fehlentscheidung zu treffen, geringer, wenn man sich für einen der eigenen Leute entscheidet. Zum anderen komme darin die "Statusreproduktion" von "Netzwerk- und Clanstrukturen" zum Ausdruck. Dementsprechend sind Auslandskarrieren wegen hoher Einstiegsbarrieren und schlechteren Aufstiegschancen auch aus der Sicht von Managern unattraktiv - im heimischen Unternehmen kommt man schneller voran.

  • Internationale Management-Karrieren sind selten. Steht doch einmal ein Ausländer an der Spitze eines Unternehmens, kommt er oft aus dem gleichen Sprach-Kulturraum – etwa ein DAX-Vorstand aus der Schweiz. Zur Grafik

Markus Pohlmann: Globale ökonomische Elite? Eine Globalisierungsthese auf dem Prüfstand der Empirie, in: Kölner Zeitschrift für Sozialpsychologie 4/2009

Michael Hartmann: Die transnationale Klasse - Mythos oder Realität?, in: Zeitschrift für sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis 3/2009

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