zurück
HBS Böckler Impuls

Arbeitszeiten: Rund um die Uhr, sieben Tage die Woche

Ausgabe 18/2006

Das Gros der Bundesländer will an Werktagen die Ladenöffnungszeiten freigeben. Das wird bestehende Trends verstärken: Atypische Arbeitszeiten entwickeln sich zur Norm.

Mehr als jeder zweite Beschäftigte in Deutschland arbeitet mittlerweile nachts, am Wochenende oder in Wechselschichten. Hartmut Seifert, Leiter des WSI, beobachtet seit Jahren eine Ausweitung atypischer Arbeitzeiten. Selbst in Branchen wie dem Kredit- und Versicherungsgewerbe, wo Arbeit außerhalb der Bürozeiten lange Zeit die Ausnahme war, macht sich dieser Trend bemerkbar. Für jeden dritten Beschäftigten im Finanzsektor gehören Arbeitszeiten jenseits der bisherigen Norm zum Alltag. Am stärksten betroffen sind jedoch die Belegschaften im Handel und Gastgewerbe: Zwei von drei Beschäftigten gehen hier außerhalb der Standardzeiten dem Beruf nach. Die Freigabe der Ladenöffnungszeiten in vielen Bundesländern wird diese Quote weiter erhöhen.

Der Trend zur Rund-um-die-Uhr-Arbeit hat gesellschaftliche Folgen. "Das Synchronisationsproblem zwischen Beruf und Familie verschärft sich, wenn zu ohnehin langen Arbeitszeiten noch eine ungünstige Lage während der Nacht oder am Wochenende hinzukommt", warnt Seifert. Verschieben sich Arbeitsstunden zunehmend in Richtung solcher Zeiten, dann "schwindet das Potenzial an familienfreundlichen Arbeitsplätzen". Ein wichtiges Instrument zur Umsetzung der  neuen Arbeitsmuster sind die mittlerweile weit verbreiteten Zeitkonten. Laut WSI-Betriebsrätebefragung führen derzeit etwa zwei Drittel aller Unternehmen Zeitkonten, davon erfasst sind etwas mehr als die Hälfte der Beschäftigten.

Viele Betriebe fordern von ihren Beschäftigten zwar zeitliche Flexibilität, honorieren sie aber nicht finanziell. Im Reinigungsgewerbe etwa gibt es Nachtzuschläge nur zwischen 22 und 5 Uhr - Einsätze zu atypischen Zeiten bleiben darum oft zuschlagsfrei. Einzelhändler zahlen bisher Zuschläge für Arbeitsstunden zwischen 19.30 und 6 Uhr. Die könnten jedoch sinken, erwartet WSI-Tarifexperte Reinhard Bispinck. Wenn sich die Ladenöffnungszeit ausdehnt, werden mehr Verkäuferinnen in Wechselschichten arbeiten müssen. Laut Tarifvertrag gibt es etwa in Nordrhein-Westfalen einen Zuschlag von 55 Prozent auf Nachtarbeit ab 20 Uhr - für Beschäftigte in Wechselschicht aber nur 10 Prozent.

Für viele Beschäftigte gehört Wochenend-Arbeit mit zum Alltag. Zur Grafik
Im Einzelhandel sind besonders viel Teilzeitkräfte beschäftigt. Zur Grafik

Hartmut Seifert: Kürzer, länger und flexibler. Entwicklungs- und Konfliktlinien in der Arbeitszeit, im Erscheinen.

Impuls-Beitrag als PDF