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HBS Böckler Impuls

Gender: Quotenpläne haben Lücken

Ausgabe 08/2014

Nur fünf Unternehmen würden derzeit die von der Bundesregierung angestrebte Geschlechterquote in Aufsichtsräten erfüllen. Das liegt vor allem am Nachholbedarf auf der Anteilseignerseite. Aber auch die Gesetzespläne haben noch wesentliche Defizite.

101 Unternehmen in Deutschland müssten ihre Aufsichtsräte ab 2016 zu mindestens 30 Prozent mit weiblichen Kontrolleuren besetzen. Jedenfalls, wenn die nun vorliegenden Leitlinien der Ministerien für Familie und Justiz für eine Geschlechterquote Gesetz werden. Marion Weckes und Lasse Pütz, Mitbestimmungsfachleute der Hans-Böckler-Stiftung, haben ermittelt, was in diesen Unternehmen geschehen müsste, damit alle die diskutierte Quote erfüllen. Ergebnis: Auf den Anteilseignerbänken hätten 142 männliche Aufsichtsräte bis 2016 ihren Sitz für Frauen zu räumen. Auf der Arbeitnehmerbank ist der Frauenanteil bereits heute deutlich höher: Hier müssten nur 91 Mandate neu an Frauen vergeben werden.

Laut Gesetzes-Leitlinien soll die Quote für „voll mitbestimmte börsennotierte“ Unternehmen gelten. Das Begriffspaar „voll mitbestimmt“ ist zwar juristisch bislang nicht eindeutig definiert, meint aber Unternehmen, deren Aufsichtsräte jeweils zur Hälfte mit Vertretern der Kapitaleigner und der Beschäftigten besetzt sind. Davon gibt es in Deutschland 101, die gleichzeitig börsennotiert sind – von A wie Adidas bis W wie Wüstenrot und Württembergische AG. Hinzu kommen sieben paritätisch mitbestimmte Europäische Aktiengesellschaften (SE). Zumindest für die Arbeitnehmerseite der SEs könne der deutsche Gesetzgeber nach Europarecht aber keine Quote vorschreiben, erläutern die Ökonomin Weckes und der Jurist Pütz.

DAX 30: Mehr als 60 Prozent der Frauen in den Aufsichtsräten sind Arbeitnehmervertreterinnen. Ende 2013 kamen in den 30 Unternehmen des DAX auf 449 männliche Aufsichtsräte 115 Aufsichtsrätinnen, zeigt die Auswertung. Knapp 62 Prozent davon waren Arbeitnehmervertreterinnen. Auch die Detailanalyse unter allen Unternehmen, für die nach den aktuellen Regierungsplänen künftig die Quote gelten soll, zeigt eine breitere Repräsentation von Frauen auf den Arbeitnehmerbänken. Ende 2013 erfüllten lediglich fünf bereits das Quoten-Kriterium der Leitlinien, nach dem auf beiden Seiten des Aufsichtsrats je mindestens 30 Prozent weibliche Mitglieder vertreten sein sollen: die Deutsche Bank, Beiersdorf, Cewe, Henkel sowie die Telefonica Deutschland. Dass es so wenige waren, lag in erster Linie am geringen Frauenanteil unter den Vertretern der Anteilseigner. Denn in insgesamt 18 Unternehmen saßen auf der Arbeitnehmerseite schon mehr Frauen, als zur Erfüllung der Quote erforderlich wären. Für die Bank der Kapitaleigner galt das in nur einem Unternehmen.

Beispiel Betriebsratswahl: Geschlechteranteil in der Belegschaft maßgeblich. Zwar stieg auch auf der Kapitalseite der Frauenanteil in den Aufsichtsräten zuletzt an. Doch insgesamt „haben die Arbeitnehmer mehr für die Geschlechtergerechtigkeit in den Aufsichtsgremien getan als die Anteilseignerseite“, schreiben die Experten. Gleichwohl sei eine feste Quote bei der Wahl von betrieblichen Arbeitnehmervertretern problematisch, geben Pütz und Weckes zu bedenken. „Die Arbeitnehmervertreterinnen rekrutieren sich aus der Belegschaft. Deshalb wäre es geboten, die Geschlechteranteile in der Belegschaft angemessen zu berücksichtigen“, schreib­en die Forscher. Als bessere Lösung verweisen sie auf die Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz, die sich bei der Quotierung von Betriebsratsgremien daran orientieren, wie viele Frauen und wie viele Männer im Betrieb arbeiten. „Der Gesetzgeber wäre gut beraten, wenn er solche erfolgreich praktizierten Regelungen berücksichtigte“, betonen Weckes und Pütz.

Und noch an einem zweiten Punkt sehen sie die Gesetzes-Leitlinien kritisch: Die Bindung an das doppelte Kriterium Börsennotierung und paritätische Mitbestimmung erscheine „in seiner Kombination willkürlich“. Eine angemessene Repräsentation von Frauen in den Entscheidungsgremien sei „ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, das nicht auf eine Mitbestimmungsform des Aufsichtsrats in Kombination mit der Börsennotierung der Unternehmen reduziert werden kann“. Deutlich angemessener wäre es, eine Quote ab einer bestimmten Größe für alle börsennotierten Unternehmen vorzugeben, um auch die Unternehmen einzubeziehen, die nicht mitbestimmt sind.

  • 115 Frauen sitzen in den Aufsichtsräten der Dax-Konzerne. Mehr als 60 Prozent von ihnen sind Vertreterinnen der Arbeitnehmer. Zur Grafik

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