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Report

Berichtszeitraum: 01. April - 30. Juni 2021: Report zum Europäischen Arbeits- und Sozialrecht

Die sechste Ausgabe des HSI-Reports befasst sich mit den aktuellen Entwicklungen der Rechtsprechung und Rechtspolitik auf europäischer Ebene im 2. Quartal 2021.

Der EuGH hat in der jüngeren Vergangenheit erneut einige praxisrelevante Entscheidungen getroffen. In der Anmerkung unter II. wird ein Urteil näher beleuchtet, das Aussagen zum anwendbaren Sozialversicherungssystem bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerüberlassung trifft (C-784/19 - Team Power Europe). Dem "forum shopping" von Leiharbeitsunternehmen, die sich in einem Mitgliedstaat mit für sie günstigen (niedrigen) Sozialversicherungsbeiträgen niederlassen, um ihre Beschäftigten an Entleiher in andere Mitgliedstaaten zu verleihen, wird durch die neuen Anforderungen des EuGH ein Riegel vorgeschoben. Wir danken Dr. Diana Niksova (Universität Salzburg) für die eingehende Besprechung der Entscheidung.

Der Gerichtshof hatte sich des Weiteren in mehreren Urteilen mit dem Befristungsrecht befasst. In der Rs. Tesco Stores stärkte er den Grundsatz der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern durch die Auslegung des Begriffs der "gleichwertigen Arbeit" in Art. 157 AEUV. Die Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit ist Gegenstand einer Entscheidung in der Rs. INSS, bei der es um eine Rentenzulage wegen Mutterschaft bei freiwilligem vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand geht. In Braathens Regional Aviation hatte die Große Kammer geurteilt, dass eine Klage auf Feststellung einer Diskriminierung auch dann (weiter) zu prüfen ist, wenn zwar eine geltend gemachte Schadensersatzforderung anerkannt, die zugrundeliegende Diskriminierung aber nicht eingeräumt wurde. Ferner liegen in der Rs. Rapidsped die Schlussanträge in einem Verfahren zur Entsendung von LKW-Fahrer*innen vor und der damit im Zusammenhang stehenden Zahlung von Tagegeldern und Treibstoffeinsparungszulagen. Der EuGH hat sich den Ergebnissen jüngst angeschlossen (Urt. v. 08.07.2021, wird im nächsten Report dargestellt).

Im Fokus der Rechtsprechung des EGMR steht die Entscheidung in der Rs. Halet / Luxemburg (Nr. 21884/18) zum Whistleblowing. Hintergrund ist der "Lux-Leaks"-Finanzskandal. Ein Mitarbeiter der Steuerberatungskanzlei PwC hatte in dem Zusammenhang Steuerunterlagen an die Medien weitergegeben und wurde deshalb strafrechtlich belangt. Dr. Simon Gerdemann (Universität Göttingen) ordnet die Entscheidung in die weitere Judikatur des EGMR zum Thema Whistleblowing ein und kritisiert fundiert die für den Betroffenen nachteilig ausgefallene Interessenabwägung der Sektionsmehrheit - auch hierfür gebührt ihm unser Dank.

Neben dieser Entscheidung verdienen zwei weitere Urteile des EGMR besondere Aufmerksamkeit. In dem Verfahren Norwegischer Gewerkschaftsbund (LO) und Norwegische Transportarbeitergewerkschaft (NTF) / Norwegen (Nr. 45487/17) geht es um die Rechtmäßigkeit einer Arbeitskampfmaßnahme auch im Verhältnis zu den wirtschaftlichen EU-Grundfreiheiten; der EFTA-Gerichtshof war mit einem Gutachten für die nationalen Gerichte ebenfalls involviert. In der Rs. Melike / Türkei (Nr. 35786/19) wurde eine Arbeitnehmerin des öffentlichen Dienstes gekündigt, da sie auf verschiedenen Facebook-Seiten kritische Beiträge mit dem "Gefällt mir"-Botton bestätigt hatte.

Der Europäische Ausschuss für Soziale Rechte (ECSR) hatte eine Beschwerde über den sozialen Schutz von Rechtsanwält*innen in der Covid-19-Krise als unzulässig zurückgewiesen, da die beschwerdeführenden Rechtsanwaltskammern keine Gewerkschaftseigenschaft haben. Weiter hatte der Ausschuss festgestellt, dass eine Altersgrenze von 71 Jahren für die Kandidatur zu einer Berufskammer im Gesundheitswesen gegen Art. 23 RESC verstößt ...

Wir hoffen, Ihnen mit dem Report wieder einen möglichst umfassenden Überblick über die neuesten Entwicklungen im europäischen und internationalen Arbeits- und Sozialrecht bieten zu können und wünschen eine anregende Lektüre sowie einen schönen Sommer.

Quelle

Report zum Europäischen Arbeits- und Sozialrecht
HSI Report, 69 Seiten

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