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Report

Berichtszeitraum: 01. Januar - 31. März 2021: Report zum Europäischen Arbeits- und Sozialrecht

Im Fokus der Rechtsprechung des EuGH steht eine Entscheidung im Bereich des Antidiskriminierungsrechts. Konkret hatte sich der EuGH mit der Frage zu befassen, ob die Gleichbehandlungsrahmen RL 2000/78/EG auch vor Ungleichbehandlungen innerhalb einer Gruppe von Beschäftigten mit demselben Merkmal (hier einer Behinderung) schützt. Das Urteil, dem die Problematik einer Stichtagsregelung für einen Entgeltzuschlag zugrunde lag, wird von Dr. Daniel Hlava in der Anmerkung unter II. dargestellt.

Daneben hat der Gerichtshof einige weitere praxisrelevante Entscheidungen getroffen. In zwei aktuellen Urteilen widmet er sich einmal mehr der Abgrenzung von Arbeits- und Ruhezeit im Falle von Rufbereitschaftsdienst (C-344/19 . Radiotelevizija Slovenija sowie C-580/19 . Stadt Offenbach am Main). Ebenfalls von Bedeutung ist das Urteil in der Rs. Airhelp (C-28/20). Die Große Kammer des EuGH stellte hier fest, dass ein gewerkschaftlich organisierter Streik im Luftverkehr keinen "außergewöhnlichen Umstand" im Sinne der FluggastrechteVO darstellt. Hinzuweisen ist außerdem auf einen Schlussantrag im Berufungsverfahren in der Rs. EPSU / Kommission. Dort geht es um die Frage, ob die Kommission dazu verpflichtet ist, eine im Rahmen des Sozialen Dialogs nach Art. 155 Abs. 2 AEUV entstandene Rahmenvereinbarung dem Rat zur Beschlussfassung vorzulegen, damit deren Inhalte in einen Unionsrechtsakt überführt werden. Ein weiterer Schlussantrag befasst sich mit dem Verbot, am Arbeitsplatz in einer Kindertagesstätte und einer Drogeriemarktkette sichtbare religiose Zeichen wie ein Kopftuch zu tragen (verb. Rs. C-804/18 und C-341/19 . WABE und MH Müller Handel).

Aus der Rechtsprechung des EGMR wird eine Entscheidung zum Whistleblowing näher behandelt (Nr. 23922/19 . Gawlik / Liechtenstein). Ein stellvertretender Chefarzt wurde gekündigt, nachdem er sich mit dem Verdacht an die Staatsanwaltschaft gewendet hatte, dass sein Vorgesetzter unerlaubte Sterbehilfe geleistet habe. Wir freuen uns, dass Prof. Dr. Ninon Colneric die Bedeutung dieser Entscheidung - auch für Unions- und deutsches Recht - in ihrer Anmerkung unter III. herausarbeitet, wofür wir ihr besonders danken.

In der Rs. Jur.i. / Kroatien (Nr. 54711/15) erteilt der EGMR Diskriminierungen aufgrund von Geschlechterstereotypen staatlicher Behörden eine klare Absage. Fraglich war der Entzug des Krankenversicherungsschutzes einer schwangeren Frau nach einer In-vitro-Fertilisation mit der Begründung, dass sie medizinisch ungeeignet gewesen sei eine Beschäftigung aufzunehmen. Eine Ungleichbehandlung der Geschlechter ist zudem Gegenstand einer neu anhängigen Beschwerde, in der es um unterschiedliche Renteneintrittsalter von Frauen und Männern geht (Nr. 31428/20 . Marin / Rumanien). Ein weiteres Beschwerdeverfahren betrifft eine Kündigung, die ggf. mit gewerkschaftlichen Aktivitäten des Betroffenen im Zusammenhang steht (Nr. 976/20 . Hoppen und Amber Grid / Litauen). Im Urteil in der Rs. Emina.ao.lu / Türkei (Nr. 76521/12) stellte der EGMR klar, dass auch Justizangehörige das Recht haben, öffentliche Kritik am Justizsystem zu äußern.

Der Europäische Ausschuss für Soziale Rechte (ECSR) traf eine Sachentscheidung zum Recht der Gewerkschaften nach Art. 5 RESC, ihre betrieblichen Gewerkschaftsvertreter*innen selbst auszuwählen. Zwei weitere Sachentscheidungen ergingen zu Beschwerden über die Möglichkeit der wiederholten Verlängerung befristeter Arbeitsverträge von Angestellten im öffentlichen Bildungssektor Italiens.

In den weiteren aktuellen Entwicklungen des vergangenen Quartals wird u.a. über die weiteren rechtspolitischen Initiativen zur Regulierung von Lieferketten auf EU-Ebene informiert. Die Verwirklichung menschenwürdiger Arbeit in globalen Lieferketten ist ferner Gegenstand eines Berichts des Verwaltungsrats der ILO. Die EU-Kommission veröffentlichte einen Bericht zur Stärkung des Sozialen Dialogs in der EU und stellte einen Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte vor. Fragen der Nutzung künstlicher Intelligenz wurden sowohl vom EU-Parlament als auch vom Ministerkomitee des Europarats behandelt. Weiter wurden die Schlussfolgerungen des Europäischen Ausschusses für Soziale Rechte zum deutschen Staatenbericht veröffentlicht. In diesem Zusammenhang ist es sehr zu begrüßen, dass Deutschland nunmehr nach jahrzehntelangem politischem Tauziehen am 29.03.2021 die RESC ratifiziert hat, welche für Deutschland am 01.05.2021 in Kraft tritt. Des Weiteren werden aus der Rechtsprechung des EFTA-Gerichtshofs zwei Urteile über die Anerkennung von Berufsqualifikationen im Europäischen Wirtschaftsraum dargestellt.

Quelle

Report zum Europäischen Arbeits- und Sozialrecht
HSI Report, 67 Seiten

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