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HBS Böckler Impuls

Arbeitszeit: Puffer im Abschwung

Ausgabe 01/2009

In den vergangenen Jahren arbeiteten Vollzeitkräfte so lange wie seit fast 20 Jahren nicht mehr. In der Krise hat dies auch einen Vorteil: Unternehmen müssen nicht gleich Leute entlassen, sondern können zuerst die Arbeitszeiten reduzieren.

Vollzeit-Beschäftigte in Deutschland arbeiteten 2006 im Schnitt 40,4 Stunden pro Woche - das sind die längsten Arbeitszeiten seit der Deutschen Einheit. Zu diesem Ergebnis kommt der Arbeitzeitmonitor 2001 bis 2006, für den Wissenschaftler des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Uni Duisburg-Essen Daten des Mikrozensus ausgewertet haben. Besonders stark wuchs das Arbeitspensum in den vergangenen Jahren "in der vom Exportboom getriebenen Metallindustrie", fanden Steffen Lehndorff, Andreas Jansen und Angelika Kümmerling heraus. Die Metaller waren 2006 durchschnittlich eine Stunde pro Woche länger am Arbeitsplatz als 2003.

Doch es zeigt sich: Nicht allein die weltweite Hochkonjunktur hat den Arbeitsumfang anschwellen lassen. Auch im öffentlichen Dienst mussten die Beschäftigten 2006 deutlich mehr Arbeit leisten als zuvor. Nachdem Steuern gesenkt wurden, sparte der Staat Personal ein, analysieren die Forscher. Die Arbeitslast verteilte sich auf weniger Schultern.

Längere Arbeitszeiten, weniger Jobs. Die Studie im ­Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung legt dar, wie sich im zurückliegenden Konjunkturzyklus die Wochenarbeitszeiten ausweiteten. Schon während der Rezession drängten Arbeitgeber der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand auf längere Arbeitszeiten. Tatsächlich reduzierte sich im Abschwung von 2000 bis 2003 das durchschnittliche Pensum leicht auf 39,6 Stunden. Aber im anschließenden Aufschwung von 2004 bis 2006 stieg die Stundenzahl auf 40,3 Stunden.

Längere Arbeitszeiten wirken sich auf den Beschäftigtenstand aus, so die Arbeitsmarktexperten des IAQ. Neue Arbeitsplätze entstanden erst spät im Aufschwung - die Unternehmen konnten aufgrund der langen Arbeitszeiten die zusätzliche Nachfrage noch eine Weile ohne neue Beschäftigte bewältigen. Die aktuelle Situation erfordert eine Korrektur, erklären die Forscher: Die Betriebe haben große Spielräume, die Krise über eine Reduzierung der Wochenstunden abzufedern. Diesmal könnten, anders als in früheren Rezessionen, Entlassungen vermieden werden. Dann würde im folgenden Wirtschaftsaufschwung der Trend zu beschäftigungsmindernden Arbeitszeitverlängerungen gestoppt.

Nur wenige Europäer arbeiten länger. Die Arbeitszeit-Trends in Deutschland gehen vom Westen aus, so die Wissenschaftler. In Westdeutschland reagiere die Stundenzahl auf die Konjunktur, im Osten habe sich dagegen über die Branchen hinweg ein informeller 40-Stunden-Standard herausgebildet - in guten wie schlechten Zeiten. Mit den Arbeitszeiten ist die Bundesrepublik inzwischen in der Mitte der EU angelangt. Die gewöhnlichen Wochenarbeitszeiten entsprechen dem EU-27-Schnitt. Die Wissenschaftler des IAQ stellen klar: Die verbreitete Vorstellung, "Deutschland gehöre zu den Ländern mit den kürzesten Arbeitszeiten, muss gründlich revidiert werden." Länger als Vollzeitkräfte in der Bundesrepublik arbeiten in der alten EU nur jene in Großbritannien, Griechenland und Spanien.

  • So viele Stunden wie 2006 haben Vollzeitkräfte seit der Deutschen Einheit nicht mehr gearbeitet. Zur Grafik
  • Zum Ende des zurückliegenden Aufschwungs arbeiteten die Beschäftigten fast aller Branchen länger, in der Metallindustrie fast eine Stunde mehr. Zur Grafik

Steffen Lehndorff, Andreas Jansen und Angelika Kümmerling: Arbeitszeiten wieder so lang wie vor 20 Jahren, IAQ-Report 1/2009

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