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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Niedriglohn: Für viele kein Sprungbrett

Ausgabe 06/2005

Den Niedriglohnsektor fördern - das ist eines der Rezepte, die zur Bekämpfung der Jobkrise diskutiert werden. Aber: immer mehr der gering Entlohnten bleiben dauerhaft in diesem Sektor kleben. International ist Deutschland mittlerweile Schlusslicht, was die Aufstiegswahrscheinlichkeit der Geringverdiener angeht.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit hat untersucht, was 2001 aus denjenigen geworden ist, die 1996 im Niedriglohnsektor beschäftigt waren. Knapp die Hälfte aus dieser Gruppe war weiterhin in Vollzeitbeschäftigung. Über die anderen ist wenig bekannt - doch es ist kaum wahrscheinlich, dass sie ihre Einkommensposition verbessern konnten:

  • 33,7 Prozent waren nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt
  • 10,9 Prozent teilzeit- oder geringfügig beschäftigt
  • 6,1 Prozent bekamen Geld vom Arbeitsamt, Unterhaltsgeld oder Arbeitslosenunterstützung


Die Zahl der Niedriglohnverdiener war um 200.000 auf 3,63 Millionen Menschen gestiegen. Dabei setzte das IAB die Niedriglohnschwelle vergleichsweise hoch an, 2001 - im Jahr der jüngsten IAB-Stichprobe - entsprach sie 1.630 Euro.

Interessant ist, was aus den Niedrigverdienern wurde, die weiterhin eine Vollzeitstelle hatten: Nur einem Drittel von ihnen war es gelungen, ihren Verdienst so weit aufzubessern, dass sie über die Niedriglohnschwelle springen konnten. Rund zwei Drittel waren hingegen weiterhin auf ihren schmalen Verdienst angewiesen.

Längerfristige Betrachtungen für Westdeutschland zeigen, dass immer mehr Menschen im Niedriglohnbereich festsitzen. 2001 war es hier nach den IAB-Berechnungen 37,1 Prozent der Beschäftigten gelungen, innerhalb von fünf Jahren den Niedriglohnsektor zu verlassen, ein Jahrzehnt zuvor hatten dies noch 50,7 Prozent geschafft. Fazit des IAB: Die "Aufstiegsmobilität von Niedriglohnbeschäftigten" ist "im Lauf der letzten zwei Jahrzehnte deutlich zurückgegangen".

Dramatisch ist der internationale Vergleich. Laut OECD-Analyse war die Aufstiegswahrscheinlichkeit von westdeutschen Geringverdienern zwischen 1986 und 1991 noch ungefähr so hoch wie im EU-Durchschnitt - und deutlich höher als in den USA. Die EU hat diese Analyse für die Jahre 1995 bis 2001 wiederholt: Danach ist Deutschland mittlerweile Schlusslicht, was die Aufstiegswahrscheinlichkeit der Geringverdiener angeht. Selbst in Großbritannien, wo der Niedriglohnsektor größer ist, haben niedrig Entlohnte größere Chancen, nach oben zu kommen.

Wo liegen die Ursachen? Das IAB spekuliert:

  • Die Aufstiegschancen sind wahrscheinlich geringer, wenn die Entwicklung am Arbeitsmarkt insgesamt schlecht ist.
  • Das Steuer- und Abgabensystem könne eine Falle sein: Bei hoher Grenzbelastung zusätzlicher Einkünfte sei der Anreiz gering, den Verdienst zu erhöhen.
  • Es könne auch "zunehmende Segmentationstendenzen auf betrieblicher Ebene" geben. Wer den Betrieb wechsele, habe bessere Chancen, den Verdienst zu erhöhen, als derjenige, der im gleichen Betrieb bleibe.
  • Den Niedriglohnsektor fördern - das ist eines der Rezepte, die zur Bekämpfung der Jobkrise diskutiert werden. Aber: immer mehr der gering Entlohnten bleiben dauerhaft in diesem Sektor kleben. International ist Deutschland mittlerweile Schlusslicht, was die Aufstiegswahrscheinlichkeit der Geringverdiener angeht. Zur Grafik
  • Den Niedriglohnsektor fördern - das ist eines der Rezepte, die zur Bekämpfung der Jobkrise diskutiert werden. Aber: immer mehr der gering Entlohnten bleiben dauerhaft in diesem Sektor kleben. International ist Deutschland mittlerweile Schlusslicht, was die Aufstiegswahrscheinlichkeit der Geringverdiener angeht. Zur Grafik

Niedriglohnsektor - Aufstiegschancen für Geringverdiener verschlechtert, IAB-Kurzbericht 3/2005

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