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HBS Böckler Impuls

Crowdwork: Mehr Mitsprache für Klickarbeiter

Ausgabe 13/2018

Crowdworker haben wenig Rechte und können ihre Arbeitsbedingungen kaum beeinflussen. Eine Analyse zeigt, dass sich daran etwas ändern lässt.

Die digitale Wirtschaft gilt als modern, doch in einem zentralen Punkt ist sie äußerst rückständig: Klickarbeiter sind meist auf sich allein gestellt und haben kaum eine Möglichkeit mitzureden. Dabei gäbe es Ansätze, um die Teilhabe zu verbessern, wie eine Analyse von Thomas Gegenhuber, Markus Ellmer und Claudia Scheba von den Universitäten Lüneburg, Salzburg und Linz zeigt.

Die Forscher haben in ihrer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie sechs Internet-Plattformen mit Sitz in Deutschland genauer unter die Lupe genommen: Appjobber, Clickworker, designenlassen.de, Jovoto, Testbirds und content.de. Diese Plattformen sind eine entscheidende Schnittstelle: Sie ermöglichen Unternehmen, auf Arbeitskräfte überall auf der Welt zuzugreifen, ohne jemanden fest einstellen zu müssen. Bei den Arbeiten, die an die sogenannte Crowd ausgelagert werden, handelt es sich mal um einfache Tätigkeiten zum schnellen Nebenverdienst, teilweise um komplexe Aufgaben wie Designentwürfe. Erledigt werden die Aufträge von Crowdworkern, die zu Hause vor dem eigenen Rechner sitzen. Sie sind meist schlecht bezahlt und kaum abgesichert – was auch daran liegt, dass sie kaum Einfluss auf die Spielregeln haben, nach denen Arbeit verteilt, vergütet und bewertet wird. Die Arbeitsbeziehungen zwischen Crowdworkern und Auftraggebern sind alles andere als gleichberechtigt. Unter anderem deshalb ist es so schwierig, kollektives Handeln anzustoßen. Die Analyse von Gegenhuber, Ellmer und Scheba zeigt allerdings, dass auf den untersuchten Plattformen vereinzelt positive Ansätze für Partizipation existieren, auf die sich aufbauen ließe. Darüber hinaus haben die Forscher eigene Vorschläge entwickelt, wie sich die Teilhabe von Crowdworkern verbessern ließe.


Crowdworker sollten sich vernetzen …

Klickarbeiter können untereinander nur schwer in Kontakt treten. In der Regel erfahren sie nicht, wer außer ihnen an einem Projekt arbeitet, manchmal kennen sie nicht einmal den Auftraggeber. Sie bleiben weitgehend isoliert. Eine positive Ausnahme stellt Jovoto dar: Die Plattform für Designer ist darauf ausgerichtet, dass Nutzer sich gegenseitig Feedback geben und Ideen austauschen. Zudem wird ein Teil der Preisgelder durch ein „Community-Voting“ vergeben. „Durch die insgesamt starke Betonung der Community im Geschäftsmodell haben Crowdworker entsprechend Raum und Möglichkeit, ihre Interessen und Probleme zu artikulieren, wodurch sich deren Einflusswahrscheinlichkeit deutlich erhöht“, schreiben die Forscher.

... und miteinander diskutieren

Um Diskussionen zu ermöglichen und kollektive Meinungsbildungsprozesse zu fördern, sollten die Plattformen spezielle Foren, Blogs, Chatboxen und andere Social-Media-Kanäle einrichten – und zwar nicht nur bezogen auf ein bestimmtes Projekt, sondern auch für grundsätzliche Diskussionen. Ergänzend können Abstimmungstools zum Einsatz kommen, schreiben die Forscher. Wenn sich die Plattformbetreiber dagegen sperren, haben Crowdworker immer noch die Möglichkeit, sich außerhalb der Plattformen zu organisieren. Ein solches Forum bietet beispielsweise die von der IG Metall gestartete Initiative Faircrowdwork. Darüber hinaus hat die Gewerkschaft gemeinsam mit dem Deutschen Crowdsourcing-Verband und mehreren Plattformen eine Ombudsstelle eingerichtet. Diese soll Streitigkeiten zwischen Crowdworkern, Auftraggebern und Plattformen außergerichtlich klären. Und sie soll überwachen, ob sich die Plattformbetreiber an ihre freiwillige Selbstverpflichtung halten, mit Crowdworkern fair umzugehen.

Anbieter müssen Transparenz schaffen

Für Crowdworker ist Transparenz enorm wichtig, vor allem in Bezug auf die Verdienstaussichten. Die bleiben nämlich bisher häufig im Unklaren. Als positives Beispiel heben die Forscher den Verdienstrechner der Plattform content.de hervor. Mit diesem Tool können Crowdworker ihre täglichen beziehungsweise monatlichen Verdienste auf Basis ihrer Arbeitszeit, Leistung und Qualitätseinstufung einschätzen.

Bewertungen sind keine Einbahnstraße

Hat ein Crowdworker einen Auftrag erledigt, wird er von seinem Auftraggeber bewertet – zum Beispiel mit Sternchen oder einem Prozentwert. Diese Noten haben großen Einfluss darauf, ob der Crowdworker weitere Jobs erhält. Doch nach welchen Kriterien sie vergeben werden, ist oft nicht klar. Die Wissenschaftler fordern: Nicht nur die Arbeitgeber sollten Bewertungen abgeben dürfen, sondern auch die Crowdworker, um wenigstens etwas Chancengleichheit herzustellen. Als Beispiel führen sie die Plattform designenlassen.de an, bei der zumindest die Gewinner von Wettbewerben den Auftraggeber bewerten können. Wer einen Vergleich verschiedener Plattformen sucht, wird bei Faircrowdwork fündig, wo unter anderem die Geschäftsbedingungen einzelner Plattformen verglichen werden.

Die Wahl eines Vertreters

Eine neue Idee der Forscher ist die Wahl eines Crowdworker-Vertreters. Dieser könnte die Interessen der Klickarbeiter gegenüber Plattformen und Auftraggebern artikulieren – auch in persönlichen Gesprächen. Die Betreiber der Plattformen müssten bereit sein, sich in regelmäßigen Abstand mit dem Vertreter zu treffen. Verglichen mit echter Mitbestimmung durch Betriebsräte mit gesicherten Rechten wäre das zunächst eine schwache Position. Doch daraus könnte nach und nach eine Form der Teilhabe entstehen, die in eine „gesetzlich verankerte Form der Mitbestimmung überführt werden kann“, glauben die Wissenschaftler.

Selbstverwaltung statt Fremdbestimmtheit

Bei Crowdwork-Plattformen handelt es sich in den allermeisten Fällen um kommerzielle Organisationen. Aber es ginge auch anders: Selbstorganisierte oder genossenschaftlich organisierte Plattformen seien denkbar, schreiben die Forscher. Erste vielversprechende Beispiele für genossenschaftliche Crowdwork-Portale gebe es in den USA, etwa die von Wissenschaftlern der Universität Stanford gegründete Plattform Daemo. Vorteil der Selbstverwaltung: Die Mitglieder können über die Ausrichtung und Gestaltung ihrer Plattform selbst entscheiden. Außerdem wird ein größerer Anteil des Umsatzes direkt an sie selbst verteilt.

  • Fast die Hälfte der Soloselbstständigen verdient weniger als 1500 Euro netto im Monat. Zur Grafik

Thomas Gegenhuber, Markus Ellmer und Claudia Scheba: Partizipation von Crowdworker­Innen auf Crowdsourcing-Plattformen, Bestandsaufnahme und Ausblick (pdf), Study der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 391, Juni 2018

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