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HBS Böckler Impuls

Betriebsräte: Mann vertritt Frau

Ausgabe 07/2016

Frauen dürfen bei Betriebsratswahlen nicht benachteiligt werden. Doch da wo viele Frauen arbeiten, gibt es zu wenige weibliche Betriebsräte. Eine Gesetzesänderung könnte die „Vertretungslücke“ schließen.

Der Frauenanteil in Betriebsräten ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Allerdings sind Frauen ausgerechnet in Betrieben, in denen sie die Mehrheit der Belegschaft stellen, nach wie vor unterrepräsentiert, wie Helge Baumann, Wolfram Brehmer, Dietmar Hobler, Christina Klenner und Svenja Pfahl vom WSI und SowiTra herausgefunden haben. Für ihre Analyse haben die Forscher die WSI-Betriebsrätebefragung 2015 ausgewertet. Diese beruht auf einer Umfrage unter mehr als 4.000 Betriebsräten aus verschiedenen Branchen – sie ist die aussagekräftigste Quelle zur Zusammensetzung von Betriebsräten in Deutschland.

Nach den WSI-Daten liegt der Frauenanteil in mitbestimmten Betrieben im Schnitt bei rund 42 Prozent. In den Betriebsratsgremien dieser Firmen sind knapp 39 Prozent aller Mandatsträger weiblich. Verglichen mit vorherigen Amtsperioden sei „eine erheblich bessere Repräsentanz“ erreicht worden, schreiben die Autoren. Auch im Vergleich zur Situation in Aufsichtsräten oder gar Vorständen ist die Gleichstellung in Betriebsräten deutlich weiter. Zu verdanken ist das einer Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 2001. Seitdem heißt es dort: „Das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, muss mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein, wenn dieser aus mindestens drei Mitgliedern besteht.“

Je höher der Frauenanteil, desto größer die Lücke

Wo es nur wenige weibliche Beschäftigte gibt, sind Frauen im Betriebsrat laut WSI sogar leicht überrepräsentiert. Bei Betrieben, in denen zwischen 30 und 50 Prozent der Beschäftigten weiblich sind, entsprechen die Frauenanteile im Betriebsrat weitgehend denen in der Belegschaft – so wie es das Gesetz vorsieht. Bei Betrieben, in denen Frauen die Mehrheit der Beschäftigten stellen – wo also der „Minderheitenschutz“ nicht mehr greift – haben sie jedoch häufig vergleichsweise wenige Sitze. „Frauen sind im Betriebsrat eher entsprechend ihres Belegschaftsanteils repräsentiert, wenn sie die Minderheit in der Belegschaft stellen. Anders sieht es aber aus, wenn die Belegschaft weiblich dominiert ist, denn dann sind Frauen im Betriebsrat im Allgemeinen unterrepräsentiert“, erklären die Wissenschaftler. Tendenziell gelte dabei: Je höher der Frauenanteil, desto größer die „Vertretungslücke“.

Auffällig ist auch: Nur in jedem vierten Gremium steht eine Frau an der Spitze. Selbst weiblich dominierte Betriebsräte haben überwiegend männliche Vorsitzende. Außerdem hätten Frauen mit zunehmender Betriebsgröße seltener den Vorsitz inne, so die Forscher.

Eine mögliche Erklärung: Frauen arbeiten häufiger als Männer in Teilzeit. Unabhängig davon, ob diese freiwillig gewählt wird oder nicht, fällt es schwer, den Aufgaben im Betriebsrat in der ohnehin kürzeren Arbeitszeit gerecht zu werden. Teilzeitbeschäftigte mit privaten Verpflichtungen werden sich daher genau überlegen, ob sie ein Mandat und erst recht den Vorsitz im Betriebsrat übernehmen können. Hier könnten beispielsweise bessere Regelungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder flexible Arbeitszeitmodelle helfen.

Änderung der Wahlordnung ist nötig

„Die im Betriebsverfassungsgesetz verankerte Mindestregelung für das Minderheitengeschlecht war ein großer Schritt in die richtige Richtung, ist aber noch nicht ausreichend“, schreiben die Wissenschaftler. Sie empfehlen, dass Frauen und Männer genau so im Betriebsrat vertreten sein sollten, wie es ihren Anteilen an der Belegschaft entspricht. „Eine anteilige Repräsentanz beider Geschlechter stellt keine Bevorteilung dar, sondern würde beide Geschlechter – unabhängig davon, ob sie die Mehrheit oder Minderheit in der Belegschaft darstellen –, vor Benachteiligung schützen.“ Dazu wäre neben einer Neufassung der Quotenregelung eine Änderung der Wahlordnung nötig: Das bisherige Verfahren zur Sitzverteilung nach d’Hondt könne in bestimmten Situationen für verzerrte Ergebnisse sorgen, so die Experten. Es sollte ersetzt werden durch eines der beiden anerkannten Verfahren von Hare/Niemeyer oder Sainte-Laguë/Schepers.

  • In Betrieben, in denen Frauen die Mehrheit der Beschäftigten stellen, gibt es vergleichsweise wenige weibliche Betriebsräte. Zur Grafik

Helge Baumann, Wolfram Brehmer, Dietmar Hobler, Christina Klenner, Svenja Pfahl: Frauen in Betriebsräten – zur Umsetzung des Minderheitenschutzes bei Betriebsratswahlen, WSI-Report, im Erscheinen

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