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Mehr Transparenz für gerechtere Bezahlung Böckler Impuls

Gleichstellung: Mehr Transparenz für gerechtere Bezahlung

Ausgabe 09/2023

Das Entgelttransparenzgesetz soll die Benachteiligung von Frauen beseitigen. Doch zu wenige Betriebe halten sich an die geforderten Prüfverfahren. Hier muss nachgebessert werden.

Das Entgelttransparenzgesetz soll helfen, ungerechtfertigte Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern aufzudecken. Allerdings entfaltet es bislang nur geringe Wirkung. Nur in gut einem Viertel der mitbestimmten Betriebe in der Privatwirtschaft haben die Beschäftigten mindestens einen Antrag auf Überprüfung der Entgeltstruktur gestellt. Und nur knapp die Hälfte der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und Betriebsrat hat bislang die gesetzliche Aufforderung umgesetzt, zu überprüfen, ob es bei der Bezahlung gerecht zugeht. Das zeigt eine Analyse von Helge Emmler und Christina Klenner vom WSI. Um die Wirksamkeit des Gesetzes zu erhöhen, seien strengere Auflagen, spürbare Sanktionen sowie niedrigere Hürden für die Anfragen von Beschäftigten nötig, schreiben die Forschenden. Eine positive Rolle spielt der Studie zufolge die betriebliche Mitbestimmung. Denn Betriebe tun deutlich mehr, wenn es Betriebsvereinbarungen zu Gleichstellung oder verwandten Themen gibt.

Das Mitte 2017 eingeführte Entgelttransparenzgesetz ermöglicht es Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, zu erfahren, was Kolleginnen und Kollegen mit vergleichbarer Tätigkeit verdienen. Außerdem fordert es Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten auf, regelmäßig zu überprüfen, ob sie geschlechtergerechte Löhne zahlen. Diese betrieblichen Überprüfungen sind jedoch nicht verpflichtend. Auf Basis der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 2021 haben die Forschenden untersucht, wie der individuelle Auskunftsanspruch genutzt und die betrieblichen Prüfverfahren umgesetzt wurden. Welche Prüfverfahren genutzt wurden, zu welchen Ergebnissen die Prüfungen führten und ob daraufhin Maßnahmen zur Entgeltanpassung ergriffen wurden, konnte aus den vorliegenden Daten nicht abgeleitet werden.

Keine Anfragen in den meisten Betrieben

Der Studie zufolge waren im Jahr 2021 26 Prozent der privatwirtschaftlichen Betriebe mit Betriebsrat mit Anfragen von einem oder mehreren Beschäftigten konfrontiert. Zum Vergleich: 2018, also unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes, waren es 17 Prozent. Doch auch wenn der Anteil seitdem gestiegen ist: Die Mehrheit der mitbestimmten Betriebe, in denen Beschäftigte ihren Auskunftsanspruch hätten geltend machen können, musste sich bislang noch nicht mit Anfragen zur Entgelttransparenz auseinandersetzen. Im Bereich des öffentlichen Dienstes gaben sogar nur zehn Prozent der befragten Dienststellen an, dass Beschäftigte einen entsprechenden Antrag gestellt haben.

Am häufigsten haben die Beschäftigten in den Bereichen Information und Kommunikation sowie Finanz- und Versicherungsdienstleistungen von ihrem individuellen Auskunftsrecht Gebrauch gemacht. Der Anteil der betroffenen Betriebe lag hier bei knapp 40 Prozent. Es folgt das Baugewerbe mit rund 34 Prozent.

Ein betriebliches Verfahren zur Überprüfung der Entgelte von Frauen und Männern hat nach Angaben der befragten Betriebsräte knapp die Hälfte der mitbestimmten Betriebe durchgeführt. Das bedeutet im Umkehrschluss: Die andere Hälfte hat die im Gesetz verankerte Aufforderung ignoriert. Ähnlich wie bei den individuellen Anfragen lagen auch bei den betrieblichen Prüfverfahren die Branchen Information und Kommunikation sowie Finanz- und Versicherungsdienstleistungen an der Spitze. Rund 69 Prozent der Betriebe aus diesen Branchen haben auf Entgeltgleichheit geprüft. Im Baugewerbe waren es immerhin noch knapp 58 Prozent.

Mitbestimmung wirkt sich positiv aus

Signifikant häufiger umgesetzt wurde das Gesetz in Betrieben, in denen es Betriebsvereinbarungen zu Themen wie Antidiskriminierung oder Gleichstellung gibt. Der Anteil der prüfenden Betriebe lag dann bei 59 Prozent. Anfragen und Prüfverfahren gebe es eher dort, wo geschlechtsspezifische Ungleichheiten bereits thematisiert worden sind, schreiben Emmler und Klenner. Das lege den Schluss nahe, „dass die Betriebsräte eine sehr wichtige Rolle bei der Umsetzung des Entgelttransparenzgesetzes spielen können“. Dazu bräuchten sie aber auch angemessene Ressourcen, beispielsweise zusätzliche Freistellungen. Zwar können die Forschenden auf Basis der Betriebsrätebefragung keinen direkten Vergleich mit der Situation in Betrieben ohne Mitbestimmung anstellen. Doch die Befragungsergebnisse zeigen: Aktive, für Geschlechterungerechtigkeiten sensibilisierte Betriebsräte sind ein positiver Faktor bei der Umsetzung des Entgelttransparenzgesetzes.

Aus Sicht der Forschenden muss es Beschäftigten leichter gemacht werden, Auskünfte zu erhalten und Entgeltanpassungen durchzusetzen. Vor allem sollten betriebliche Überprüfungen verpflichtend sein und nach zertifizierten Verfahren durchgeführt werden. Dies sieht auch eine kürzlich verabschiedete EU-Richtlinie vor, die alle Mitgliedsstaaten umsetzen müssen. Danach müssen zunächst Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten jährlich offenlegen, wie groß der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen ist, und gegebenenfalls konkrete Gegenmaßnahmen ergreifen.

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