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HBS Böckler Impuls

Arbeitsrecht: Kündigungsschutz: Mythos Beschäftigungsbremse

Ausgabe 05/2005

Dass der deutsche Kündigungsschutz die Beschäftigung hemmt, belegt bisher keine Studie. Noch nicht einmal jene Personalverantwortlichen, die das Arbeitsrecht für zu rigide halten, lassen sich von diesem in ihrem Einstellungsverhalten beeinflussen, zeigt eine Untersuchung des WSI auf.

Die kritischen Argumente gegen den Kündigungsschutz sind bekannt: hohe Kosten, abschreckende psychologische Wirkung, Beschäftigungshemmnis. Den Beweis für diese Behauptungen sind die Kritiker allerdings bislang schuldig geblieben. Vielmehr häufen sich die Untersuchungen, die den deutschen Regelungen ihre angeblich negative Wirkung absprechen. Darunter fällt die WSI-Studie zum Verhalten der Personalverantwortlichen, bei denen sich hartnäckig der Eindruck hält, das Arbeitsrecht behindere sie.

Das WSI fragte 2.000 Personaler nach dem wichtigsten arbeitsrechtlichen Reformprojekt: ein knappes Drittel von ihnen sieht keinerlei Reformbedarf, ein gutes Drittel findet jedoch das Kündigungsschutzgesetz reformbedürftig. Erst weit dahinter nennen sie die Regelungen zu befristeten Arbeitsverträgen (18 Prozent) oder Leiharbeit (2 Prozent).

Dringende Reformwünsche: Kein Einfluss

Doch egal, wie die Einstellung zu den geltenden Regeln ist: Auf das Einstellungsverhalten der Personalverantwortlichen haben sie keinen Einfluss. "Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass alle Variablen, die etwas über die Grundhaltung der Personaler zum Arbeitsrecht aussagen, sich nicht auf die Schaffung neuer Stellen auswirken", sagt Prof. Dr. Heide Pfarr, Wissenschaftliche Direktorin des WSI. "Das gilt für den Wunsch nach arbeitsrechtlichen Reformen allgemein ebenso wie für Betriebe, deren dringlichstes Reformprojekt der Kündigungsschutz ist."

Auch Erfahrungen mit den bestehenden Regelungen halten die Unternehmen nicht davon ab, bei Bedarf neue Leute einzustellen. Zwar wird der Wunsch der Personaler stärker, Kündigung, Befristung oder Leiharbeit zu reformieren, wenn sie hiermit praktische Erfahrungen machen. Doch selbst eine Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht - wegen einer Kündigungsschutz-Klage - hat keinen Einfluss auf die Schaffung neuer Stellen.

Mangelnder Durchblick: Kein Einfluss

Auch ein Personaler, der einmal eine Kündigung erwogen, dann jedoch nicht ausgesprochen hat, ändert deshalb sein Einstellungsverhalten nicht. Ebenso wenig wirkt sich mangelnder Überblick über das Arbeitsrecht - ein gerade bei Kleinbetrieben durchaus verbreitetes Phänomen - hemmend auf die Bereitschaft aus, mehr Menschen zu beschäftigen. Fast ein Drittel der vom WSI untersuchten Unternehmen gab an, die für sie geltenden Regelungen nicht recht überblicken zu können. Wenn es um die Schaffung neuer Jobs geht, unterscheiden sie sich trotzdem nicht von anderen Betrieben.

Wie kommt es dann, dass für eine Lockerung des Kündigungsschutzes immer wieder Arbeitsplätze in Aussicht gestellt werden? Eine Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit bezifferte beispielsweise diese positiven Beschäftigungseffekte - in einem nicht näher bestimmten Zeitraum - auf rund 300.000 neue Stellen. Das Problem: Die Betriebe sollten keine Auskunft über ihr tatsächliches Verhalten geben, sondern wurden lediglich nach ihrer Meinung gefragt. Da jedoch die Grundeinstellung der Personaler zum Arbeitsrecht eher negativ ist, verwundert das Ergebnis der Befragung nicht. Über die tatsächlichen Beschäftigungswirkungen des Kündigungsschutzes, positiv oder negativ, sagt es allerdings nichts aus. Denn zwischen Reden und Handeln, wie eben die WSI-Studie untermauert, gibt es einen großen Unterschied.

Erwartungsgemäß beeinflussen andere Faktoren das Einstellungsverhalten der Unternehmen. Laut WSI haben besonders großen Einfluss

  • die aktuelle wirtschaftliche Situation und
  • die wirtschaftliche Entwicklung in den vergangenen fünf Jahren.

Je besser diese beiden Faktoren waren, desto mehr neue Stellen schufen die Betriebe.

  • Dass der deutsche Kündigungsschutz die Beschäftigung hemmt, belegt bisher keine Studie. Noch nicht einmal jene Personalverantwortlichen, die das Arbeitsrecht für zu rigide halten, lassen sich von diesem in ihrem Einstellungsverhalten beeinflussen, zeigt eine Untersuchung des WSI auf. Zur Grafik

Heide Pfarr, Karen Ullmann, Marcus Bradtke, Julia Schneider, Martin Kimmich, Silke Bothfeld: Der Kündigungsschutz zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit. Betriebliche Erfahrungen mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, München/Mering 2005
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Projekt "Regulierung des Arbeitsmarktes" (REGAM) des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung, 2002-2007

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