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HBS Böckler Impuls

Europa: Korridore für soziale Standards

Ausgabe 09/2009

Am Ende der Wirtschaftskrise könnten die nationalen Sozialsysteme in Europa enorm unter Druck geraten, fürchtet Klaus Busch. Mit Koordinie­rung ließe sich ein ruinöser Wettbewerb über immer niedrigere Sozialausgaben jedoch verhindern.

Die Krise treibt in allen Ländern der Europäischen Union die Staatsschulden in die Höhe. Angesichts knapper Kassen droht in den kommenden Jahren ein "race to the bottom" bei den Sozialausgaben, warnt Busch, Politikprofessor an der Universität Osnabrück. Doch solche Wettbewerbsverschiebungen zu Lasten sozial Schwacher können vermieden werden mit einer auf europäischer Ebene koordinierten Sozialpolitik, argumentiert der Wissenschaftler.

In der Lohn- und der Steuerpolitik versuchen die Länder Europas seit geraumer Zeit, sich über einen Senkungswettbewerb Vorteile zu verschaffen. Besonders Irland hat seit Beginn der 90er-Jahre trotz kräftiger wirtschaftlicher Entwicklung die Sozialleistungen gekürzt. Um diese Spirale nach unten zu stoppen, schlägt Busch vor, bestimmte Schwankungsbreiten für Wohlstand und Wohlfahrt europaweit festzuschreiben.

Genauer: Die Größe des Wohlfahrtsstaats wird ­gemessen an der Sozialleistungsquote in Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Sie soll gekoppelt werden an das ökonomische Entwicklungsniveau des jeweiligen Staats, ausgedrückt in Pro-Kopf-Einkommen. In der EU identifiziert Busch vier Staatengruppen mit ähnlichen Niveaus bei Sozialleistungsquote und Einkommen:

  • Bulgarien und Rumänien mit den niedrigsten Werten;
  • darüber die baltischen Staaten, die Slowakei, Ungarn und Polen;
  • nachfolgend Portugal, Griechenland, Slowenien und Tschechien
  • und an der Spitze alle anderen Länder der Europäischen Union.

Für diese vier Gruppen ließen sich unterschiedliche Korridore festlegen, innerhalb derer die Sozialleistungsquoten schwanken dürften. Damit wäre einer Politik des Sozialdumpings ein Riegel vorgeschoben: Staaten mit ähnlichem Wohlstand bieten ihren Bürgern dann vergleichbare Sozialleistungen. Wettbewerbsvorteile über niedrige Sozialausgaben wären abgestellt. Der Vorzug dieser Lösung: Sie könnte pragmatisch funktionieren, ohne dass zunächst ein einheitlicher europäischer Wohlfahrtsstaat geschaffen werden muss.

  • In der EU lassen sich im Hinblick auf die Höhe der Sozialleistungsquote und das ökonomische Entwicklungsniveau vier Staatengruppen unterscheiden. Zur Grafik

Alexandra Baum-Ceisig, Klaus Busch, Björn Hacker, Claudia Nospickel: Wohlfahrtsstaaten in Mittel- und Osteuropa - Entwicklungen, Reformen und Perspektiven im Kontext der europäischen Integration, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2008.

Klaus Busch: Die Perspektiven des Europäischen Sozialmodells (pdf), Expertise im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, Arbeitspapier Nr. 92, Düsseldorf 2005.

mehr Infos zum Projekt Wohlfahrtsstaaten in Mittel- und Osteuropa. Ein vergleichendes Handbuch für die politische Praxis" der Forschungsförderung

mehr Infos zum Projekt "Die Wohlfahrtsstaaten in der EU und die Perspektiven ihrer Europäisierung" der Forschungsförderung

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