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Tarifsysteme: Koordinierung hilft

Ausgabe 20/2021

Die Dezentralisierung von Tarifsystemen ist ein Irrweg: Koordinierte Systeme wie in Deutschland schneiden im Hinblick auf wichtige Arbeitsmarktindikatoren besser ab.

Flächentarifverträge gelten in neoliberalen Kreisen als Teufelszeug. Die These: Nur wenn jedes Unternehmen für sich selbst maßgeschneiderte Bedingungen aushandeln könne, entstünden ausreichend Jobs. Wie wenig diese Vorstellung von der Realität gedeckt ist, zeigt eine Studie des OECD-Ökonomen Andrea Garnero. Er hat für 36 OECD-Staaten untersucht, wie sich die Arbeitsmärkte zwischen 1980 und 2015 in Abhängigkeit vom jeweiligen Tarifsystem entwickelt haben. 

Für die Analyse wurden die Länder in fünf Gruppen eingeteilt. Die Kriterien: die Ebene der Tarifverhandlungen, das Ausmaß der gesamtwirtschaftlichen Koordination und der Grad der Flexibilität. Weitgehend dem neoliberalen Ideal entsprechen die Staaten mit „vollständig dezentralisierten Tarifsystemen“ wie die USA, Großbritannien oder Tschechien, wo Löhne und Arbeitsbedingungen in der Regel auf Firmenebene ausgehandelt werden, ohne dass eine überbetriebliche Koordination stattfindet. Deutschland gehört zusammen mit den nordischen Ländern, den Niederlanden und Österreich zu den Ländern mit „organisiert dezentralisierten und koordinierten Systemen“. Hier herrschen Branchentarifverträge vor, die einen gewissen Spielraum für betriebliche Anpassungen lassen. Koordination findet statt, indem zum Beispiel Pilotabschlüsse in bestimmten Branchen oder Bezirken bei anderen Verhandlungen als Vorbild dienen. Ansonsten wird noch unterschieden zwischen „größtenteils dezentralisierten“ Systemen, zu denen unter anderem das japanische und das australische Modell zählen, „eher zentralisierten und schwach koordinierten“ wie in Frankreich oder Italien und den „überwiegend zentralisierten und koordinierten“ in Finnland und Belgien.

Garneros Berechnungen zufolge schneiden die Staaten mit vollständig dezentralisierten Tarifsystemen bei den untersuchten Arbeitsmarktkennziffern am schlechtesten ab. Die Beschäftigungsquote ist bei allen anderen Ländergruppen im Schnitt signifikant höher, die Lohnungleichheit geringer. In Volkswirtschaften mit koordinierten Tarifsystemen sind zudem traditionell benachteiligte Bevölkerungsgruppen besser in den Arbeitsmarkt integriert: Die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen, Frauen und Geringqualifizierten ist niedriger.

Andrea Garnero: The impact of collective bargaining on employment and wage ­inequality, European Journal of Industrial Relations 2/2021

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