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HBS Böckler Impuls

Betriebsräte: Konstruktive Kooperation

Ausgabe 08/2006

Geschäftsleitungen schätzen die Zusammenarbeit mit ihren Betriebsräten größtenteils positiv ein. Auch bei betrieblichen Anpassungsprozessen attestieren die Manager den Arbeitnehmervertretern eine konstruktive Rolle, so eine repräsentative Befragung der Universität Bochum. Auffällig: Beide Seiten scheinen umso besser miteinander zurecht zu kommen, je länger sie gemeinsame Erfahrungen sammeln konnten. Je kürzer die Betriebsratsgründung zurückliegt, desto kritischer fällt tendenziell die gegenseitige Einschätzung aus.

In über 3.200 Betrieben der deutschen Privatwirtschaft befragten die Forscher das Management, in 1.400 zusätzlich die Arbeitnehmervertreter. Die Geschäftsleitungen bewerten zu 72 Prozent die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat (oder der Mitarbeitervertretung nach Kirchenrecht) als gut oder sehr gut. Auch aus Sicht der Betriebsräte funktioniert in der Regel die Kooperation mit der Geschäftsführung - obwohl ihre Einschätzung etwas kritischer ausfällt: 67 Prozent gaben gut bis sehr gut an.

Allgemein gilt: Wo ein Betriebsrat der Normalfall ist, klappt die Zusammenarbeit überdurchschnittlich gut - im Bereich Bergbau/Energie/Ver- und Entsorgung, aber auch im Bank- und Versicherungsgewerbe. Schwieriger ist die Lage in "Branchen mit umkämpften Interessenvertretungsstrukturen": bei den Wach-, Personal- und Reinigungsdienstleistungen, dem Baugewerbe und in abgeschwächter Form in den Betrieben der Datenverarbeitung.

Auch in Unternehmen, in denen die Gründung des Betriebsrats erst wenige Jahre zurückliegt, geben beide Seiten schlechtere Noten. "Offenbar braucht es eine gewisse Zeit, bis sich Management- und Arbeitnehmervertreter auf die neue Situation eingestellt und gemeinsame positive Erfahrungen gesammelt haben", so die Studie.

Auch im Mittelstand kommen die beiden Parteien gut miteinander aus. Kein selbstverständliches Ergebnis, gilt doch ein vom Eigentümer geführtes Unternehmen als schwieriges Terrain für Betriebsräte. Die Bochumer Untersuchung zeigt jedoch kaum Unterschiede zu den Einschätzungen in Betrieben, die zu deutschen Großkonzernen gehören - zumindest aus Sicht des Managements. Gleiches gilt für deutsche Tochterbetriebe ausländischer Unternehmen: Offensichtlich kommen diese mit den vergleichsweise weit reichenden Mitentscheidungsrechten der hiesigen Betriebsräte gut zurecht. Etwas skeptischer beurteilen die Betriebsräte jeweils ihre Situation: In zu deutschen Konzernen gehörenden Betrieben sind 69 Prozent mit der Kooperation zufrieden; im Mittelstand 60 Prozent, bei den Töchtern ausländischer Unternehmen 59 Prozent.

Geschäftsleitungen bewerten die Zusammenarbeit mit der betrieblichen Interessenvertretung positiver als mit Gewerkschaften. Auch hier zeigen die Auswertungen: Je mehr praktische Erfahrung, desto stärker schrumpfen die Vorbehalte. "In der mittelständischen Wirtschaft gilt die gewerkschaftliche ‚Fremdsteuerung‘ der Betriebsräte insbesondere als Bedrohungsszenario", urteilen die Forscher. Die Befragung ergab, dass sich das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Management tatsächlich mit steigender gewerkschaftlicher Einbindung der Betriebsräte abkühlt. Allerdings fällt dieser Zusammenhang eher gering aus. Zudem existiert ein Unterschied zwischen Betrieben mit niedrigem und mit hohem gewerkschaftlichen Organisationsgrad. Wo nur wenige Beschäftigte Mitglied einer Gewerkschaft sind, sehen nur 21 Prozent der Manager eine konstruktive Beteiligung der Gewerkschaft. In Betrieben mit hohem Organisationsgrad sind es immerhin 35 Prozent.

Die Bewertung der Zusammenarbeit mit gesetzlich nicht normierten Formen der Interessenvertretung wie Runde Tische, Sprecher oder Vertrauenspersonen fiel positiv aus: 90 Prozent der Manager beurteilen sie mit gut oder sehr gut. "Dieses Ergebnis überrascht nicht, bildet man doch die Mehrzahl dieser Vertretungs- und Beratungsorgane auf Initiative der Geschäftsleitung", sagt Projektleiter Ludger Pries.

Wenn im Betrieb Veränderungen anstehen, erlebt das Management die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat mehrheitlich als positiv. "Die gelegentlich von Arbeitgebervertretern geäußerte Kritik, notwendige betriebliche Anpassungsprozesse würden durch die betriebliche Mitbestimmung erschwert, lässt sich nicht bestätigen", resümiert die Studie. In der ganz überwiegenden Mehrheit der Betriebe müssten Veränderungen nicht gegen den Widerstand der Betriebsräte durchgesetzt werden. Vielmehr gingen die Arbeitnehmervertreter häufig konstruktiv vor: 69 Prozent der Geschäftsführer attestieren ihnen, Veränderungen mit eigenen Vorschlägen zu begleiten. Diese aktive Gestaltungsrolle nimmt mit steigender Betriebsgröße zu: In Betrieben mit 10 bis 19 Beschäftigten bescheinigt das Management seinem Betriebsrat zu 64 Prozent eigene Vorschläge, bei 500 und mehr Beschäftigten sind es 77 Prozent. Betriebsräte bestätigen im Großen und Ganzen die gute Kooperation.

  • Beide Seiten sind sich einig: Die Zusammenarbeit läuft überwiegend gut. Zur Grafik
  • Manager räumen ein, dass Betriebsräte Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit liefern. Zur Grafik

Ludger Pries, Axel Hauser-Ditz, Markus Hertwig: Betriebliche Interessenvertretung in Deutschland - Survey und Strukturanalyse (BISS), Projekt gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung, Abschlussbericht geplant im Herbst 2006. mehr Infos zum Projekt 
    
Artikel im Magazin Mitbestimmung (pdf)

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