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HBS Böckler Impuls

Mindestlohn: Keine Jobverluste durch britische Lohnuntergrenze

Ausgabe 12/2007

Großbritannien hat 1999 einen gesetzlichen Mindestlohn eingeführt und ihn seitdem mehrfach angehoben. Arbeitsplätze hat das nicht gekostet, zeigt eine Studie der London School of Economics.

Der britische Mindestlohn erfasste zum Zeitpunkt seiner Einführung 1999 rund 1,2 Millionen Arbeitnehmer. Nachdem er sieben Mal erhöht wurde, liegt er derzeit bei 7,94 Euro und gibt den Stundenverdienst für etwa 2 Millionen Arbeitnehmer vor. Der Mindestlohn hat den Lohnabstand von Geringverdienern zu den übrigen Beschäftigten sowie zwischen Männern und Frauen eingedämmt. Arbeitsplätze hat er auf der Insel indes nicht gekostet, resümiert David Metcalf von der London School of Economics in einer Überblicksstudie zum britischen Mindestlohn. Es gibt "keine oder nur geringe Hinweise auf Beschäftigungseffekte", schreibt der Ökonomie-Professor.

Bei einigen Geringverdienern, die dank der Lohngrenze nun höhere Stundenlöhne bekommen, sei lediglich die Zahl der wöchentlichen Arbeitsstunden leicht zurückgegangen. Metcalf war bis vor kurzem Mitglied der britischen Niedriglohnkommission, die sich aus je drei Vertretern von Gewerkschaften, Arbeitgebern und Forschung zusammensetzt und die Höhe des Mindestlohns festlegt. Seine Studie analysiert verschiedene Facetten des Zusammenhangs von Lohngrenze und Beschäftigung.

Die Beschäftigung in typischen Niedriglohnbranchen hat zugenommen. In Einzelhandel, Gastronomie, Pflegeberufen, Reinigungsgewerbe und anderen vergleichsweise schlecht zahlenden Branchen arbeiteten vor Einführung des National Minimum Wage (NMW) 6,3 Millionen Menschen. Obwohl das Lohngefüge deutlich angehoben wurde, waren es sieben Jahre später nicht weniger, sondern 400.000 mehr. Der Anteil dieser Sektoren an der gesamten Beschäftigung auf der Insel blieb mit knapp 26 Prozent praktisch unverändert. Merkliche Jobverluste gab es nur in der Textil- und Schuhindustrie. Dies sei jedoch keine Folge des Mindestlohns, sondern die Fortsetzung eines seit Jahrzehnten anhaltenden Trends, so Metcalf.

In Regionen mit besonders vielen schlecht bezahlten Jobs ist die Zahl der Stellen nicht zurückgegangen. Das gilt einer Untersuchung von 2002 zufolge auch, wenn man in diesen Regionen ausschließlich die Beschäftigungszahlen einzelner Gruppen betrachtet: von gering Qualifizierten, von Frauen, Beschäftigten in Niedriglohnbranchen oder mit kurzer Aufenthaltsdauer im aktuellen Job. Für negative Arbeitsmarkteffekte in Landstrichen mit vielen Geringverdienern gibt es laut Metcalf allenfalls schwache Anzeichen: "Es könnte sein, dass der Beschäftigungszuwachs etwas geringer war, als er ohne Mindestlohn gewesen wäre."

Betriebe, die überwiegend Niedriglöhne zahlen, mussten weder überdurchschnittlich oft schließen noch Personal abbauen. Betriebe, die 1998 mindestens einem Viertel der Belegschaft weniger als den Mindestlohn gezahlt haben, gaben das Geschäft zwischen 1998 und 2004 nicht öfter auf als Durchschnittsbetriebe. Personalabbau in großem Umfang war in diesen Betrieben sogar seltener.

Jugendliche und Erwachsene, Frauen und Männer - für keine Gruppe haben sich die Beschäftigungsaussichten messbar verschlechtert. Die Wahrscheinlichkeit, den Job zu verlieren, ist weder durch die Einführung des Mindestlohns noch durch spätere Erhöhungen gestiegen, zeigen Auswertungen verschiedener Datensätze. Das gilt nach einer Studie von 2004 für alle vier Gruppen. Lediglich einen moderaten Arbeitszeiteffekt haben einige Forscher ausgemacht: Eine Untersuchung kam im Jahr 2002 zum Ergebnis, dass sich die Arbeitszeit bei einem von zehn Arbeitnehmern, deren Lohn durch die NMW-Einführung stieg, anschließend verkürzte.

Vielen britischen Arbeitgebern ist es Metcalf zufolge gelungen, gestiegene Arbeitskosten auszugleichen: durch bessere Arbeitsorganisation und Qualifizierung der Mitarbeiter - beides hebt die Produktivität - oder durch höhere Verkaufspreise. Einen Teil des Kostenanstiegs aufgrund des Mindestlohns trugen die Unternehmen indes auch selbst. So gaben nach der Einführung 1999 die Erträge von Firmen, die viele Niedriglöhner beschäftigen, im Verhältnis zu anderen Unternehmen etwas nach. Dass negative Beschäftigungseffekte ausblieben, lag indes nicht daran, dass es zu viele Ausnahmeregelungen gab, mit deren Hilfe die Unternehmen den Mindestlohn hätten umgehen können, stellt Metcalf fest. Auch war der NMW bei seiner Einführung nicht so niedrig, dass er wirkungslos geblieben wäre.

  • Der britische Mindestlohn hat sich entgegen den Befürchtungen konservativer Ökonomen keineswegs als Jobkiller erwiesen. Zur Grafik

David Metcalf: Why Has the British National Minimum Wage Had Little or No Impact on Employment? CEP Discussion Paper No. 781, April 2007. Download (pdf)

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