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HBS Böckler Impuls

Arbeitslosengeld: Geschwächter Stabilisator

Ausgabe 06/2009

Ende 2009 werden in Deutschland wieder mehr als vier Millionen Menschen ohne Job sein, prognostizieren das IMK und andere Institute. Und die Zahl dürfte weiter steigen. Die Begrenzung des Arbeitslosengeldes auf zwölf Monate könnte zur zusätzlichen Belastung für die Konjunktur werden.

Die deutsche Wirtschaft schrumpft dramatisch. Das IMK rechnet mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um fünf Prozent in diesem Jahr. Noch verhindert die starke Ausweitung der Kurzarbeit, dass die Krise mit voller Wucht auf den Arbeitsmarkt durchschlägt. "Es ist ein Segen, dass wir dieses Instrument haben, aber die Chancen schwinden, dass wir uns damit über die Krise retten", sagt Gustav A. Horn, der Wissenschaftliche Direktor des IMK.

Die Konjunkturforscher des IMK befürchten, dass viele Unternehmen in wenigen Monaten doch mit umfangreichen Entlassungen beginnen werden. Für die zweite Jahreshälfte rechnen sie mit einem Anstieg der saisonbereinigten Arbeitslosenzahl um 675.000. Zum Jahresende werden nach der aktuellen IMK-Prognose 4,2 Millionen Menschen ohne Stelle sein. Und auch nach der Jahreswende dürften sich die Jobverluste fortsetzen. Denn im kommenden Jahr wird das BIP allenfalls stagnieren. Zwar dürften sich Exporte und Investitionen 2010 zaghaft wieder beleben. Doch im Inland droht eine Abwärtsspirale: Weil die Beschäftigung zurückgeht und die Effektivlöhne eher schwach steigen, könnte der private Konsum um 1,7 Prozent zurückgehen, kalkuliert das IMK. Das behindert wiederum eine Trendwende am Arbeitsmarkt. Im Jahresdurchschnitt 2010 rechnen die Konjunkturforscher mit 4,5 Millionen Arbeitslosen.

Angesichts der düsteren Zahlen rät Gustav Horn, über eine längere Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I nachzudenken. Denn die finanzielle Absicherung über Sozialtransfers zählt für Makroökonomen zu den "automatischen Stabilisatoren", mit denen Nachfrage- und Konjunkturschwankungen abgefangen werden können. Die stabilisierende Wirkung des Arbeitslosengeldes ist in Deutschland aber erheblich zurückgegangen, seit die Bezugsdauer für die meisten Arbeitnehmer im Zuge der Hartz-Reformen auf ein Jahr begrenzt wurde und danach nur noch das deutlich niedrigere ALG II gezahlt wird.

Befürworter der Hartz-IV-Regelungen argumentierten, dass so der Arbeitsmarkt entlastet würde. Arbeitslose nähmen schneller einen neuen Job an - auch wenn dieser unterhalb des Qualifikationsniveaus liegt oder schlechter bezahlt ist. "Wir haben immer schon deutliche Zweifel angemeldet, dass sich durch Druck die Arbeitslosigkeit signifikant bekämpfen lässt", sagt Horn. "In der aktuellen Krise funktioniert es aber garantiert nicht. Es gibt keine Nachfrage, es gibt keine Jobs." Wenn bald in einem kurzen Zeitraum mehrere hunderttausend Menschen ihre Arbeit verlören, "dann läuft die Uhr", warnt der Ökonom. "Viele dieser Menschen werden nur zwölf Monate später vom Arbeitslosengeld I auf Hartz-IV-Niveau abrutschen." Wahrscheinliche Folge für die Wirtschaft: Eine weitere Destabilisierung der Binnennachfrage, die die Krise verlängern könnte.  

  • Fast vier Jahre ist die Arbeitslosenzahl gesunken - nun droht ein kräftiger Anstieg. Zur Grafik

Im freien Fall. IMK Prognose-Update (pdf), März 2009 

 

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