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HBS Böckler Impuls

Tarifsystem: EU-Staaten stützen die Tarifverträge

Ausgabe 02/2007

Die meisten Beschäftigten in der alten EU profitieren von Tarifverträgen. Wo nötig, erklären die meisten Staaten sie für allgemeinverbindlich. Deutschland hingegen nutzt dieses Instrument kaum.

Die Tarifbindung ist stabil, und das auf einem hohen Niveau. Ein Befund, der für 12 der 15 Mitglieder der EU gilt, die schon vor der Osterweitung dabei waren. Drei Ausnahmen gibt es: Großbritannien, Luxemburg und Deutschland. 80,5 Prozent der Beschäftigten in der EU arbeiten nach Tarif, in den meisten Ländern liegt die Quote noch darüber. Franz Traxler, Professor an der Universität Wien, hat die Tarifsysteme der 15 Alt-Mitglieder untersucht. Eine hohe Tarifbindung hat stets eine der beiden Ursachen:

  • einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad.
  • die Unterstützung des Staates, der Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt. Die Mehrzahl der EU-Mitglieder auf dem Kontinent macht das.

Das Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) hat in den vergangenen Jahren in Europa an Bedeutung gewonnen. Es wird in acht Ländern regelmäßig und umfassend angewendet, zum Teil ist sogar ein Automatismus verankert. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit wurden in Ländern wie Finnland erleichtert. Entgegen dem europäischen Trend verzeichnet Deutschland aber seit Jahren einen spürbaren Rückgang auf niedrigem Niveau. Der setzt sich auch in diesem Jahr fort, dokumentiert der aktuelle Tarifbericht des WSI: Die Gesamtzahl allgemeinverbindlicher Tarifverträge und die Zahl neuer AVEs sanken 2006 (mehr dazu auf S. 6). Nur ein Prozent der Beschäftigten bezieht ein Tarifeinkommen nach einem Dekret des Arbeitsministers.

Die deutschen Arbeitgeberverbände verweigern oft ihre Zustimmung zur Ausweitung der Tarifverträge. Im Gegensatz dazu schätzen die Verbände anderer Länder die AVE, weil sie die Verbände stärkt: Wenn Tarife für alle gelten, lohnt es sich, Mitglied zu werden und Einfluss zu nehmen. Auch die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT) ist ein deutscher Sonderweg, so Traxler: "In keinem anderen Land der EU-15 versuchen die Arbeitgeberverbände ihre Attraktivität für potenzielle Mitglieder dadurch zu steigern, dass sie ihnen den Ausstieg aus dem Tarifsystem anbieten."

  • Alggemeinverbindlich erklärte Tarifverträge sind vielerorts der Normalfall - in Deutschland nicht. Zur Grafik

Franz Traxler: Das deutsche Tarifsystem im internationalen Vergleich: Strukturmerkmale und Entwicklungstendenzen, Vortrag WSI-Herbstforum 2006.

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