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Die EU muss Vertrauen zurückgewinnen Böckler Impuls

Coronakrise: Die EU muss Vertrauen zurückgewinnen

Ausgabe 11/2020

Europas Bürger leiden unter den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der aktuellen Krise. Um das Vertrauen in die Institutionen ist es schlecht bestellt.

Es steht nicht gut um die Stimmung in Europa: Viele Bürger klagen über Zukunftssorgen und Einsamkeit. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound), die auf einer Online-Umfrage beruht, an der vom 9. bis 30. April mehr als 85 000 EU-Bürger teilgenommen haben. Die Antworten der Befragten dokumentieren außerdem einen „Rückgang des Vertrauens in die EU und ihre nationalen Regierungen“, so die Studie. 

Die Teilnehmer sollten die Stärke ihres Vertrauens in ihre jeweilige Regierung auf einer Skala von 1 bis 10 angeben. Im Schnitt kam dabei gerade einmal ein Wert von 4,8 heraus. Wobei es merkliche Unterschiede zwischen den 27 EU-Ländern gibt: Die skandinavischen Wohlfahrtsstaaten erreichen die höchsten Werte. So liegt der nationale Durchschnittswert in Finnland und Dänemark über 7, in Schweden bei 6,4. In Deutschland beträgt er 5,9. Frankreich und die meisten südosteuropäischen Staaten kommen auf Werte um 4. Polen bildet mit 2,6 das Schlusslicht. 

Noch geringer ist das Vertrauen in die EU. Die Union erreicht lediglich einen Wert von 4,6. Das sei ungewöhnlich, schreiben die Autoren. Denn üblicherweise schneidet die EU bei vergleichbaren Erhebungen besser ab als die einzelnen Regierungen. So war es in einer Eurobarometer-Befragung ein Jahr zuvor.

Damit ist es nun an der EU, die Menschen durch eine wirksame Krisenpolitik zu überzeugen. 

Sorgen um die Zukunft

Überall in der EU ist die Lebenszufriedenheit gegenüber früheren Umfragen gesunken. Der Optimismus ist gewichen, die Sorgen um die Zukunft sind gewachsen. Zuversichtlich nach vorn geschaut haben 2016 noch 64 Prozent, im April 2020 waren es nur noch 45 Prozent. Besonders Ältere, Arbeitslose und Selbstständige machen sich Sorgen. 16 Prozent der Beschäftigten befürchteten zum Zeitpunkt der Befragung, in naher Zukunft ihren Job zu verlieren. 

Fast 40 Prozent der Europäer geben an, dass ihre finanzielle Lage schlechter sei als vor der Pandemie. Das ist doppelt so viel wie in einer 2016 durchgeführten Umfrage, in der nur etwas über 20 Prozent der Befragten konstatierten, ihre Situation habe sich zuletzt verschlechtert. Fast die Hälfte sagt, dass ihr Haushalt nicht über die Runden komme, und mehr als die Hälfte gibt an, dass sie ihren Lebensstandard ohne Einkommen nicht länger als drei Monate aufrechterhalten könne. 

Einsam im Homeoffice

Die Hälfte der Beschäftigten in der EU berichtete, sie arbeite nun weniger als zuvor. Mehr als ein Drittel arbeitete infolge der Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Epidemie von zu Hause. In Ländern, in denen viel im Homeoffice gearbeitet wird, fällt der Rückgang der Arbeitszeit geringer aus. Von denen, die ihren Job nun von zu Hause erledigen, arbeitet mehr als ein Viertel nach eigenen Angaben auch in der Freizeit, um die Aufgaben zu schaffen. Beschäftigte mit Kindern berichten häufig von Konzentrationsschwierigkeiten. Andere leiden unter dem Mangel an sozialen Kontakten: 16 Prozent der Europäer – bei den Unter-35-Jährigen sogar 20 Prozent – sagen, sie seien in den vergangenen Wochen meist einsam gewesen. 2016 waren dies nur 6 beziehungsweise 4 Prozent.

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