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HBS Böckler Impuls

Gleichstellung: Der lange Schatten der Versorgerehe

Ausgabe 10/2011

Viele rechtliche Regelungen gehen immer noch von der traditionellen Rollenverteilung in der Ehe aus. Im Falle einer Scheidung gilt diese nicht mehr – ein wirtschaftliches Risiko vor allem für Frauen.

Ob im Familienrecht, im Steuerrecht oder im Arbeits- und Sozialrecht: Überall finden sich implizit Rollenbilder für Männer und Frauen – mal mehr, mal weniger traditionell. So begünstigt beispielsweise das Steuerrecht über das Ehegattensplitting die Alleinverdienerehe. Die beitragsfreie Mitversicherung des Ehepartners in der gesetzlichen Krankenversicherung setzt ebenfalls Anreize, dass ein Partner ausschließlich die Haus- und Sorgearbeit übernimmt – in der Regel die Frau. Das neue Unterhaltsrecht hingegen verpflichtet Männer wie Frauen, nach dem Scheitern der Ehe für ihren Unterhalt selbst aufzukommen.

Solche Inkonsistenzen im Recht gilt es aufzulösen, stellt Margarete Schuler-Harms fest. Ein erster Schritt wäre die Abschaffung des Ehegattensplittings. Zusammen mit weiteren Fachleuten hat die Juraprofessorin von der Hamburger Universität der Bundeswehr das Gutachten für den Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung erstellt. „Mit dem Wandel der Rollenbilder im Recht ist die Loslösung von alten Leitvorstellungen nötig“, fasst sie die Ergebnisse zusammen.

In der frühen Bundesrepublik dominierte noch die traditionelle Rollenaufteilung: Zwar waren laut Grundgesetz Frauen und Männer von Anfang an gleichberechtigt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verstand den Begriff Gleichberechtigung aber als Gleichwertigkeit der Geschlechter bei „Anerkennung ihrer Andersartigkeit“. Männern wurde in einer Ehe die Erwerbs-, Frauen die häusliche Sphäre zugewiesen. Die DDR hingegen schuf das Leitbild der „werktätigen Mutter“. Dennoch blieb auch hier Familienarbeit rechtlich Frauensache.

„Die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Frau von vornherein als ehezerstörend zu werten“, widerspreche dem Grundgesetz, stellten die Karlsruher Richter schon 1957 fest. Das gesetzliche Leitbild der „Hausfrauenehe“ verschwand jedoch erst 20 Jahre später aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Bis dahin sollten Frauen nur dann arbeiten dürfen, „wenn dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war“. Inzwischen hat das BVerfG sich in Anerkennung der veränderten Lebenswirklichkeit gänzlich von traditionellen Rollenbildern gelöst: „Die Ehe kann nicht mehr auf eine bestimmte Rollenverteilung festgelegt werden“, so ein Beschluss aus dem Juli 2009. Das Bild der „Versorgerehe“ sei „in der gesellschaftlichen Realität nicht mehr typusprägend“.

Diese Rechtsauffassung zeigt sich nicht nur im neuen Unterhaltsrecht, sondern auch bei längerer Arbeitslosigkeit: So müssen Frauen, die bislang in einer Ehe mit traditioneller Rollenverteilung gelebt haben, sich bei Arbeitslosigkeit ihres Mannes oft plötzlich um einen Vollzeitjob bemühen. Haben sie ihren erlernten Beruf jahrelang nicht ausgeübt, sind ihre Chancen beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt jedoch deutlich eingeschränkt. Ein hohes Armutsrisiko ist die Folge.

Auch das Bild einer Kinder aufziehenden Frau, die „zu Hause bleibt“, hat das BVerfG im Laufe der Jahre aufgegeben. Noch 1977 lehnte es die Abzugsfähigkeit von Kosten der Kinderbetreuung ab, da nicht erwerbstätige Mütter sich hierdurch benachteiligt fühlen könnten. In späteren Jahren betonte Karlsruhe hingegen, Kinderbetreuung sei in der jeweils von den Eltern gewählten Form zu ermöglichen und zu fördern. Pflege und Erziehung sieht das BVerfG nicht nur als Recht, sondern auch als Pflicht beider Eltern gegenüber dem Kind. Zuletzt forderte es den Gesetzgeber dazu auf, eine gemeinsame Sorge von nicht ehelichen Eltern auch gegen den Willen der Mutter vorzusehen.

Der rechtliche Rahmen für das Aufziehen von Kleinkindern im Alter von bis zu drei Jahren geht allerdings immer noch davon aus, dass ein Elternteil – in der Regel die Mutter – die Erwerbsarbeit ganz aufgibt oder deutlich reduziert, fasst die Expertenkommission in ihrem Gutachten zusammen. Der arbeitsrechtliche Anspruch auf Elternzeit umfasst die drei ersten Lebensjahre des Kindes, auch im Rentenrecht werden diese als Kindererziehungszeit angerechnet. Arbeitslose Mütter von älteren Kindern, die einen Kindergartenplatz bekommen, verlieren regelmäßig den Anspruch auf Sozialleistungen, so die Fachleute. Denn nach dem dritten Lebensjahr des Sprösslings gilt die Erwerbsarbeit der Mutter als wieder zumutbar.

Positive Akzente zugunsten von flexibler und gemeinsamer Sorgearbeit sehen die Fachleute dagegen beim 2005 eingeführten Elterngeld als Lohnersatzleistung für zwölf Monate mit seinen zusätzlichen zwei „Partnermonaten“: „Die steigende Inanspruchnahme des Elterngeldes durch Väter und eine steigende Nachfrage nach Kinderbetreuungsplätzen signalisieren, dass durch diese Reformen der vergangenen Jahre richtige Akzente für einen Abbau der Rollenbilder und für eine Erweiterung des Handlungsraums in den Familien gesetzt wurden“, so die Gutachter.

  • Mit zunehmender Ehedauer nimmt auch die traditionelle Aufgabenverteilung zu, ergab eine Längsschnittstudie. Die institutionellen Rahmenbedingungen tragen dazu bei. Zur Grafik

Ute Klammer u.a.: Neue Wege – gleiche Chancen, Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf (pdf), Gutachten der Sachverständigenkommission an das BMFSFJ für den Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, Januar 2011.

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