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Den Weg für Investitionen freimachen Böckler Impuls

Finanzpolitik: Den Weg für Investitionen freimachen

Ausgabe 16/2021

Die europäischen Fiskalregeln könnten wichtige Zukunftsinvestitionen blockieren. Die Bundesregierung sollte sich für eine zeitgemäße Reform starkmachen.

Die europäischen Regeln zur Begrenzung der Staatsausgaben sollen reformiert werden, um sie an die ökonomischen Herausforderungen der Gegenwart anzupassen. Die EU-Kommission will dazu in Kürze eine erste Stellungnahme veröffentlichen. Eine Analyse des IMK zeigt, wie wichtig das Thema ist: In ihrer gegenwärtigen Form könnten die EU-Vorschriften wichtige Vorhaben für Investitionen in Infra­struktur oder Klimaschutz blockieren – selbst wenn diese mit der Schuldenbremse im Grundgesetz vereinbar sind. Die Forscher raten der neuen Bundesregierung daher, aktiv dazu beizutragen, die Regeln einfacher, transparenter und investitionsfreundlicher zu gestalten. 

Die notwendigen Überarbeitungen ließen sich ohne Änderungen der EU-Verträge und unter Beibehaltung der sogenannten Maastricht-Regeln für Defizite und Staatsverschuldung umsetzen, betonen die Autoren, zu denen neben Ökonomen des IMK auch der Europarechtler René Repasi von der Universität Rotterdam gehört. 

Die Klimaziele, die unter anderem Deutschland gesetzlich festgeschrieben hat, lassen sich ohne massive öffentliche Investitionen nicht erreichen. Auch hat Deutschland erheblichen Nachholbedarf bei traditioneller Infrastruktur. So veranschlagen das IMK und das Institut der deutschen Wirtschaft den zusätzlichen Investitionsbedarf auf mindestens 460 Milliarden Euro über die nächsten zehn Jahre. Die entsprechenden Kredite aufzunehmen, wäre für den deutschen Staat finanziell kein Problem, er kann sich nach wie vor auch für lange Zeiträume zu niedrigsten Zinsen Geld leihen. Mit der deutschen Schuldenbremse ließe sich das ebenfalls vereinbaren, indem die Kredite von Investitionsgesellschaften mit eigener Sachaufgabe übernommen werden.

Doch genau an diesem Punkt könnten die EU-Fiskalregeln in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung nach der IMK-Analyse einen deutschen Ansatz für „Green Deal“ und bessere öffentliche Infrastruktur ausbremsen: Sie differenzieren nicht danach, ob kreditfinanzierte Investitionen aus dem Kernhaushalt oder über Investitionsgesellschaften finanziert werden. „In der aktuellen Form drohen so die EU-Fiskalregeln ökonomisch sinnvolle Pläne der neuen Bundesregierung zu blockieren, obwohl sie weder die Schuldentragfähigkeit Deutschlands gefährden würden noch im Konflikt mit der deutschen Schuldenbremse stehen“, schreiben die Wissenschaftler. 

Im Zuge der aktuellen Reformdiskussion ließe sich das Problem aber lösen. Nach Ansicht der Forscher ließen sich nachhaltige Staatsfinanzen und niedrigere Schuldenquoten über eine Änderung des EU-Sekundärrechts erreichen. Eine sinnvolle und wichtige Stellschraube wäre unter anderem eine Vorrangbehandlung von wachstumsfördernden öffentlichen Investitionen durch Einführung einer „Goldenen Regel“, die für Investitionen zumindest teilweise eine Kreditfinanzierung erlaubt. 

Weiterhin empfehlen die Forscher, bei der „Feinsteuerung der jährlichen Finanzpolitik“ umzuschwenken von der Betrachtung struktureller Defizite hin zu einer Ausgabenregel, nach der lediglich die nicht-investiven, nicht-zyklischen Ausgaben begrenzt sind, solange sie nicht durch Steuererhöhungen finanziert werden. Eine entsprechende Reform erlaubt es nach Auffassung der Experten, „die Komplexität der bisherigen Regeln zu verringern, die Transparenz zu stärken und am Ende auch die Glaubwürdigkeit des EU-Vertragsrahmens zu erhöhen“. Da die neuen Regeln weniger unerwünschte wirtschaftliche Nebenwirkungen hätten, könnten sie auch einfacher von der Kommission durchgesetzt und auf nationaler Ebene leichter kommuniziert werden.

Sebastian Dullien u. a.: EU-Fiskalregeln: Sinnvolle Reformen innerhalb des Maastricht-Rahmens, IMK-Kommentar Nr. 5, Oktober 2021

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