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Corona verschärft die Ungleichheit Böckler Impuls

Wohnungsmarkt : Corona verschärft die Ungleichheit

Ausgabe 14/2021

Durch die Coronakrise ist es für Normalverdiener noch schwieriger geworden, Wohneigentum zu erwerben. Auch Mieter bleiben stark belastet.

Anders als manche erwartet hatten, gab es 2020 keine Preiseinbrüche bei Wohnimmobilien, sondern im Gegenteil in vielen Regionen einen Pandemie-Effekt, der den Preisauftrieb weiter verstärkt hat. Im Schnitt zogen die Angebotspreise für Eigentumswohnungen um zusätzliche 0,7 Prozentpunkte an, die für Ein- und Zweifamilienhäuser sogar um 1,1 Prozentpunkte. Auch die Angebotsmieten für Neuverträge haben 2020 schneller als die Einkommen zugelegt. Das zeigt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie der Ökonomen Tobias Just und Rupert Eisfeld von der Universität Regensburg.

Für ihre Untersuchung haben Just und Eisfeld die reale Entwicklung auf dem deutschen Wohnungsmarkt einem Szenario ohne Pandemie gegenübergestellt. Dafür nutzten sie zahlreiche Prognosen, die 2019 für 2020 abgegeben worden waren. Den Berechnungen zufolge fällt der Corona-Effekt regional unterschiedlich aus: So bremste die Pandemie das Wachstum der Angebotspreise bei Eigentumswohnungen in Großstädten um 0,8 und in den etwas dichter besiedelten ländlichen Gebieten um 0,2 Prozentpunkte ab. Ein Grund: Angesichts geschlossener Läden und Kulturangebote seien große Städte weniger attraktiv gewesen. In von Mittelstädten geprägten „städtischen Kreisen“, wie sie sich oft im Umland von Großstädten finden, und vor allem in dünn besiedelten ländlichen Gegenden legten die Angebotspreise hingegen um 1,4 beziehungsweise sogar 5,6 Prozentpunkte stärker zu, als das ohne Corona zu erwarten war. Die Erklärung der Forscher: Vor dem Hintergrund von Lockdown und Homeoffice hätten viele Haushalte zusätzlichen Platz gesucht – der eher außerhalb der Kernstädte zu finden ist. 

Bei den Hauspreisen gab es eine dämpfende Wirkung um 1,7 Prozentpunkte in den Großstädten, während die Preise andernorts infolge der Pandemie stärker zulegten – am kräftigsten in den „städtischen Kreisen“ um zusätzlich 3,9 Prozentpunkte. Damit zogen die Preise ausgerechnet in denjenigen Regionen stärker an, die für Immobilieninteressenten mit kleineren oder mittleren Einkommen noch eher erschwinglich waren. „Gerade für Haushalte ohne Ersparnis wurde der Zugang zu Wohneigentum im Zuge der Pandemie erschwert“, so Just und Eisfeld. 

Den direkten Corona-Effekt auf die Mietentwicklung stufen die Experten als deutlich geringer ein. Bundesweit rechnen sie mit einem zusätzlichen Anstieg der Angebotsmieten für Neuverträge um lediglich 0,1 Prozentpunkte. Allerdings gibt es auch hier regionale Differenzen: In Großstädten bremste die Pandemie die Zuwächse um 0,1 Prozentpunkte, in „städtischen Kreisen“ um 0,4 Prozentpunkte. Dagegen legten die Mieten in etwas dichter besiedelten ländlichen Regionen um 0,7 Prozentpunkte mehr zu als ohne Pandemie. An der dünn besiedelten ländlichen Peripherie waren es 0,9 Prozentpunkte.

Trotz der moderaten Auswirkungen stellen die Forscher fest, dass „sich die Erschwinglichkeit von Mietwohnungen vielerorts weiter verschlechtert“ habe. Das liegt auch an einem zweiten Corona-Effekt, der Mieter ebenso wie Kaufinteressierte betrifft: Staatliche Maßnahmen wie das Kurzarbeitergeld oder der Kinderbonus federten die Krisenwirkungen auf Arbeitsmarkt und Einkommen zwar so stark ab, dass die nominalen verfügbaren Einkommen 2020 im Schnitt sogar geringfügig zunahmen. Doch jenseits dieses Durchschnitts büßten viele Haushalte an Einkommen ein, die meisten geringfügig, doch einige auch erheblich.

Der Mix aus anziehenden Mieten und teilweise sinkenden Einkommen ist nach Analyse der Forscher so ausgeprägt, dass er auch an einer Zunahme der durchschnittlichen Mietkostenbelastung in Deutschland ablesbar ist. Für Neuvermietungen können Just und Eisfeld den Anstieg konkret beziffern, indem sie die Nettokaltmiete für eine durchschnittliche Mehrpersonenwohnung von 80 Quadratmetern dem durchschnittlichen Netto-Haushaltseinkommen gegenüberstellen. Von 2011 bis 2020 stieg diese Quote von 15 auf knapp 17 Prozent. Auf das Pandemiejahr 2020 entfielen davon gleich 0,6 Prozentpunkte, wovon die Hälfte ein spezifischer Corona-Effekt war. „Die Pandemie führte also direkt zu einer höheren Mietkostenbelastung der privaten Haushalte. Dieser Effekt wird umso größer sein, je höher die Wohnkostenbelastung bereits vor der Pandemie war“, ordnen die Ökonomen diesen Trend ein. „Da vornehmlich Mieterhaushalte mit niedrigeren Einkommen einen überproportional hohen Anteil für die Miete ausgeben, dürfte sich die Belastung durch hohe Wohnkosten gerade in den unteren Einkommensgruppen verschärft haben“, so Just und Eisfeld.

Tobias Just, Rupert Eisfeld: Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die deutschen Wohnungsmärkte, IMK-Study Nr. 74, September 2021

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