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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Betriebsräte sind die Referenz

Ausgabe 12/2007

Gerade in Betrieben mit wenigen Beschäftigten existieren anstelle von Betriebsräten auch andere Formen betrieblicher Interessenvertretung. Ein Drittel von ihnen hat jedoch keinerlei Mitbestimmungsrechte, ergab eine repräsentative Studie.

Betriebsspezifische Vertretungsorgane wie Sprecher oder Runde Tische sind kein neues Phänomen. Bislang existierten jedoch kaum Untersuchungen über ihre Verbreitung und Wirkungsweise. Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum haben bei rund 3.200 Betrieben der Privatwirtschaft mit mindestens zehn Beschäftigten Daten zur Vertretungs- und Beteiligungspraxis erhoben. Das Ergebnis der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie: Rund 40 Prozent aller Betriebe verfügen über mindestens ein Organ der betrieblichen Interessenregulierung - in gut der Hälfte der Fälle ist dies ein Betriebsrat. 32 Prozent haben lediglich ein Gremium, etwa 9 Prozent haben zwei oder mehr.

Bei der Verbreitung zeigen sich die markantesten Unterschiede zwischen den verschiedenen Betriebsgrößen: Betriebe mit 10 bis 19 Arbeitnehmern haben nur in 7 Prozent der Fälle eine gesetzliche Vertretung, 20 Prozent haben ein anderes Vertretungsorgan (AVO). Oberhalb von 500 Beschäftigten existieren Betriebsräte in gut 90 Prozent der Betriebe, nur 3 Prozent haben andere Gremien.

Besonders viele AVOs finden sich in Dienstleistungsbranchen mit vielen hoch qualifizierten Beschäftigten, so in Forschung und Entwicklung, bei Beratern oder Werbern. Dort ist die Betriebsratsdichte unterdurchschnittlich. Allerdings ist auch im Bereich der niedrig qualifizierten Dienstleistungen der Anteil alternativer Vertretungsorgane hoch. Da in diesen Branchen "Partizipation weniger ein Baustein des Leistungserstellungsprozesses ist, dürften diese Vertretungen eher Teil einer Betriebsrat-Vermeidungsstrategie der Betriebsleitung sein", vermuten die Forscher.

Vertretungsorgane abseits der Betriebsräte sind überwiegend gemeinsame Gremien von Geschäftsleitung und Arbeitnehmern. Nur etwa ein Drittel besteht ausschließlich aus Beschäftigten. 56 Prozent der Organe werden noch nicht einmal von den Arbeitnehmern gewählt, sondern von der Betriebsleitung eingesetzt. Insgesamt machen durch Wahl legitimierte reine Arbeitnehmervertretungen nur ein Viertel der AVOs aus.

Mit steigender Betriebsgröße wächst allerdings der Anteil der gewählten Gremien, und damit auch die Ähnlichkeit mit einem Betriebsrat. "Ob dies ein Ausstrahlungseffekt des Betriebsverfassungsgesetzes ist oder sich aus den Organisationsdynamiken von Großbetrieben ergibt, kann allerdings mit den vorliegenden Befragungsdaten nicht beantwortet werden", geben die Wissenschaftler zu bedenken. Zumindest ein Fünftel der befragten Betriebsräte gab allerdings an, dass vor Gründung des Betriebsrates bereits eine andere Form der Arbeitnehmervertretung existierte.

Eindeutig sind die Forschungsergebnisse bei der Frage, wie effektiv andere Vertretungsorgane die Interessen der Beschäftigten vertreten können: Bei "harten" Aspekten der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen wie Entgelt und Arbeitszeit sowie Kündigungen und Beschäftigungssicherung seien Betriebsräte in der Regel weitaus einflussreicher als andere Gremien, so die Bochumer Wissenschaftler. AVOs werden hier mehrheitlich lediglich informiert und konsultiert.

Einen Trend zur Verdrängung von Betriebsräten durch andere Vertretungsformen konnten die Forscher nicht ausmachen. Ihre Prognose: Solche Gremien werden angesichts formal niedriger Betriebsratshürden "die Betriebsräte nicht ersetzen, sondern zukünftig die Interessenregulierung stärker ausdifferenzieren".

  • Die gesetzliche Vertretung ist die Regel. Zur Grafik
  • Betriebsräte sorgen für verbindliche Rechte. Zur Grafik

Axel Hauser-Ditz, Markus Hertwig, Ludger Pries: Betriebsräte und andere Vertretungsorgane im Vergleich, in: WSI-Mitteilungen 9/2006 und dieselbe: Betriebsräte und "Andere Vertretungsorgane", in: Industrielle Beziehungen, Heft 4, 2006.

mehr Infos zum Projekt "Betriebliche Interessenvertretung in Deutschland - Survey und Strukturanalyse (BISS)"

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