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HBS Böckler Impuls

Wirtschaftspolitik: Bessere Makropolitik, mehr Jobs

Ausgabe 18/2006

Nach dem weltweiten Konjunktureinbruch 2000/2001 hat die deutsche Wirtschaft bis 2005 stagniert. Großbritannien und Schweden hingegen konnten sich schnell erholen. Grund war der bessere Mix aus Geld-, Lohn- und Finanzpolitik, analysiert das IMK.

Die Forscher verglichen für die drei Länder die wirtschaftlichen Eckdaten der vergangenen zehn Jahre. Ihr Ergebnis: Deutschland weist über den gesamten Zeitraum bei fast allen Kennzahlen schwächere Werte auf. Sowohl Schweden als auch Großbritannien haben besonders den globalen Abschwung zur Jahrtausendwende weitaus besser verarbeitet: Beide haben deutlich höhere Wachstumsraten und eine geringere Arbeitslosigkeit bei ähnlich niedrigen Inflationsraten wie Deutschland. "Dies ist deshalb erstaunlich, weil die beiden Volkswirtschaften grundsätzlich verschiedene Modelle verkörpern", schreiben die Ökonomen:

  • Großbritannien mit dem Modell der liberalen Markwirtschaft angelsächsischer Prägung: geringer gewerkschaftlicher Organisationsgrad, flexible Arbeitsmärkte, dezentralisierte Lohnfindung und hohe Einkommensungleichheit;
  • Schweden mit dem nordischen Wohlfahrtsstaatsmodell: relativ hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrad, koordinierte Lohnverhandlungen und im internationalen Vergleich geringe Lohn- und Einkommensungleichheit.

Trotzdem entwickelte sich die Wirtschaft ähnlich. "Dies legt die Vermutung nahe, dass nicht die Arbeitsmarkt- und Sozialstaatsinstitutionen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung die entscheidenden Faktoren sind", so die Wissenschaftler. Entscheidend sei die makroökonomische Politik.

In der Geldpolitik besteht ein großer Unterschied: Deutschland ist seit 1999 Teil der europäischen Währungsunion, hat also die geldpolitische Autonomie an die Europäische Zentralbank (EZB) abgegeben. In Großbritannien und Schweden reagierte die weiterhin nationale Geldpolitik sehr viel angemessener auf die Konjunkturflaute 2000/2001: Die Bank of England senkte wegen des schwächeren Wachstums rasch die Zinssätze. Die schwedische Reichsbank begann zwar erst 2003 die Leitzinsen deutlich zu senken - vorher wäre dies auch gar nicht notwendig gewesen, da die Abwertung der schwedischen Krone 2001 schwedische Produkte vergleichsweise billiger machte und den Export ankurbelte. Die EZB reagierte erst mit deutlicher Verspätung auf den Abschwung. Besonders für Deutschland, das größte Land der Währungsunion, war dies unangemessen, so die Forscher.

Die deutsche Lohnpolitik unterschied sich ebenfalls stark von der in Schweden und Großbritannien. Die Lohnentwicklung war in Deutschland besonders zurückhaltend. Dies war eine wesentliche Ursache der schwachen Binnennachfrage. Allerdings verbesserte sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. Deren Exporterfolge reichten jedoch nicht aus, um die lahmende Nachfrage im Inland auszugleichen. In Schweden hingegen schöpfte die Lohnpolitik den Verteilungsspielraum aus trendmäßigem Produktivitätswachstum und Zielinflationsrate der Zentralbank weitgehend aus. Damit stiegen die Löhne gerade so stark, dass sie die Wettbewerbsposition der Unternehmen nicht beeinträchtigten - und auch die Binnennachfrage einen erheblichen Wachstumsbeitrag leisten konnte. Im Vergleich stiegen in Großbritannien die Löhne und Lohnstückkosten am stärksten. Die britischen Unternehmen konnten ihre höheren Kosten jedoch nicht vollständig über höhere Preise an ihre Kunden weitergeben, wodurch die Lohnquote deutlich stieg.

Durchaus ähnlich sind die Ziele der Finanzpolitik: In allen drei Ländern spielt die Haushaltskonsolidierung eine zentrale Rolle. Anders als Deutschland verfügen Großbritannien und Schweden jedoch über effektive Umsetzungskonzepte, analysiert das IMK: "Den Regelungen in beiden Ländern gemein ist, dass sie trotz klarer mittelfristiger Vorgaben bedeutende Spielräume für konjunkturstabilisierende Maßnahmen in einer Krise vorsehen." Deutschland fehle ein klares mittelfristiges Konzept. Die britische und schwedische Fiskalpolitik reagierten im Abschwung 2001 klar antizyklisch: Staatskonsum und öffentliche Investitionen stiegen stark, besonders in Großbritannien. In Deutschland geschah das genaue Gegenteil: Zwar trat zufällig 2001 ein Teil der mehrstufigen Steuerreform in Kraft, der eine große Steuerentlastung brachte. Doch der Staatskonsum wurde eingeschränkt, die öffentlichen Investitionen sanken von 2001 bis 2005 pro Jahr im Schnitt um 4,5 Prozent. Die Finanzpolitik trug besonders von 2003 bis 2005 noch zusätzlich zur Stagnation bei.

Die erfolgreichere Wirtschaftspolitik Großbritanniens oder Schwedens lässt sich aber nicht eins zu eins in Deutschland umsetzen: Aufgrund der starken Lohnsteigerungen und einer Überbewertung des britischen Pfundes wegen hoher Zinsen leidet die britische Wirtschaft unter der Konkurrenzschwäche ihrer Unternehmen. Die Schweden stehen zwar besser da. Doch der Politik-Mix einer kleinen, offenen Volkswirtschaft ist nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragbar - das wirtschaftlich größte Land innerhalb der Währungsunion. Die Ökonomen empfehlen daher einen eigenen Weg:

  • eine im Euroraum koordinierte Lohnentwicklung, die den Verteilungsspielraum ausschöpft;
  • expansive Finanzpolitik im Abschwung und deutlich höhere öffentliche Investitionen sowie
  • die Forderung an die EZB, Wachstum und Beschäftigung durch eine expansivere Geldpolitik zu fördern, wenn die Preisstabilität nicht gefährdet ist.
Der richtige Mix aus Geld-, Lohn- und Finanzpolitik hat in Schweden und Großbritannien die Wirtschaft gedeihen lassen. Zur Grafik

Eckhard Hein, Jan-Oliver Menz, Achim Truger: Warum bleibt Deutschland hinter Schweden und dem Vereinigten Königreich zurück? in: IMK Report Nr. 15 November 2006.

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