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HBS Böckler Impuls

Euroland: Ausweg aus der Schuldenfalle

Ausgabe 09/2006

Erklärte Ziele der Euro-Staaten sind ein stabiler Staatshaushalt und ein kräftiges Wirtschaftswachstum. Mit den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts lassen sich diese Ziele jedoch nicht erreichen, analysiert das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Es fordert eine grundlegende Reform des Pakts.

Seit Mitte der 90er-Jahre, spätestens jedoch seit dem Wachstumseinbruch der Jahre 2000 und 2001, entwickelt sich die US-Wirtschaft besser als die Europas. Ein wesentlicher Unterschied: Während die USA den Abschwung mit zusätzlichen Staatsausgaben bekämpfte, sparten viele europäische Länder sogar in der Krise - und verstärkten damit den Konjunktureinbruch. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre gingen von der Finanzpolitik der Euroländer über den Konjunkturabschwung hinaus bremsende Impulse in Höhe von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. In Deutschland waren es sogar 1,1 Prozent.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt spielt dabei eine große Rolle: Er schreibt den Euro-Mitgliedstaaten eine maximale Defizitquote der öffentlichen Haushalte von 3 Prozent und eine maximale Schuldenstandsquote von 60 Prozent des BIP vor. Seit dem Beginn der Währungsunion 1999 haben sechs der zwölf Mitgliedstaaten die Drei-Prozent-Grenze überschritten - müssen also sparen, um Strafzahlungen an die EU zu entgehen. "Auch wenn die Finanzpolitik sicherlich nur einer von mehreren relevanten Faktoren ist, so fällt doch auf, dass alle vier Staaten mit unterdurchschnittlichem BIP-Wachstum (Deutschland, Italien, die Niederlande und Portugal) unter einer unangemessen restriktiven Finanzpolitik litten", urteilt das IMK.

Damit die europäische Finanzpolitik in Zukunft stabilisierend auf die Konjunktur wirken kann, sollte an die Stelle des Stabilitäts- und Wachstumspakts ein Ausgabenpfad-Konzept treten, empfehlen die Forscher. Dies schreibt den öffentlichen Haushalten verbindliche Ausgabenpfade für konjunkturunabhängige Staatsausgaben vor - Staatskonsum, Subventionen und öffentliche Investitionen. Für Euro-Staaten mit einem Schuldenstand oberhalb von 60 Prozent des BIP sollte der Pfad leicht unterhalb des nicht preisbereinigten Trends des Wirtschaftswachstums - dem nominalen BIP-Trend - angesetzt werden. Die konjunkturabhängigen Ausgaben - in der Hauptsache also die Sozialtransfers - sollten dagegen ohne Defizitvorgaben um den Ausgabenpfad schwanken können. So können die Mitglieder der Währungsunion ihre Haushalte gleichsam automatisch konsolidieren. Allerdings: Ohne Unterstützung seitens der Geld- und Lohnpolitik wird auch dieses Pfad-Konzept nicht erfolgreich sein.

Forscher des IMK sehen in Deutschland ungenutzte Chancen. Zur Grafik

Eckhard Hein, Achim Truger: Europäische Finanzpolitik: Ausgabenpfade als konjunkturgerechte Alternative zum Stabilitäts- und Wachstumspakt, in: IMK Report Nr. 10 Mai 2006 (pdf).

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